A-U-T-O-B-A-H-N Raststätte: Einige Bemerkungen zum ROLAND JD-800

Kaum ein anderer Synthesizer hat mich vom ersten Foto an, das veröffentlicht wurde, so fasziniert, wie der ROLAND JD-800. Der JD-800 sollte die ANtwort der Fa. Roland sein auf ein halbes Jahrzehnt schwer zu programmierender Synthesizer für die der Yamaha DX-7 und der Roland D-50 exemplarisch zu nennen sind.

Ausgestattet mit einer Vielzahl an Schiebereglern sieht der JD-800 wie ein klassischer analoger Synthesizer aus und natürlich laden die Regler dazu ein, den Sound in jeder möglichen Komponente zu verändern. Dabei ist er bereits vom Grunde her ein gut klingender Digital-Synthesizer, der durch diese Schieberegler eine unglaubliche Flexibilität erhält und seinem Musiker die nahezu volle Kontrolle über einen Sound gibt.

Die internen (ROM-basierenden) Signale können kombiniert werdenum, um neue, eigene Klänge zu "basteln", wobei die Signalgebung durchaus mit der des Roland D-50 vergleichbar ist. Ich habe den JD-800 immer einen "variierbaren Jupiter/D-80" genannt, was der Wahrheit wohl auch recht nahe kommt. Die klangliche Eigenständigkeit des JD-800 basiert aber auf der Verwendung von Multimode-Filtern, eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Kombination, die sich jedcoh schnell auch bei anderen Firmen durchsetzte.

Was Roland (leider) nicht wagte, war es, dem JD-800 ein edles Holzdesign zu verpassen; im Gegenteil: obwohl der Synthi schon recht schwer war, packten ihn die Japaner in ein "billiges" Kunststoff-Gehäuse, was einem Liebhaber der alten, klassischen Synthesizer schon sehr weh tat. Dafür war die Live-Programierung der Sounds ziemlich klar udnd einfach und viel weniger wissenschaftlich als in den Jahren zuvor.

Klanglich war beim Roland JD-800 fast alles, von dem man träumen konnte, möglich und ließ sich am Ende ganz einfach in einem der Speicherplätze ablegen. Werjedoch allein von den technischen Werten ausgeht, wird enttäuscht sein, denn da kann der JD-800 weniger als andere Synthis von Roland, vom JV-1080 aufwärts. Nur 108 Wallenformen, 24 Stimmen, keine Structures, kein Ringmodulator, keine Workstationfunktionalität. Wenn man das GAnze technisch betrachtet arbeitet der JD-800 mit einer einfachen ROM-Sample-Synthese aus den frühen 1990er Jahren. Aber was entsteht daraus für ein Klang! - Man schaue sich bloß mal dieses Video an.

Im Single-Modus ist der JD-800 auch heute noch kaum von einem anderen Synthi zu schlagen. Er klingt unglaublich fett aufgrund der Equalizer-artigen dynamischen 6-Kanal-Spektrum-Filter. Da hat man plötzlich Sounds die "funkeln". Einen dieser Sounds habe ich, das war 2002, "Schwarzfunkelnde Sterne" getauft. der JD-800 ist kein "Soundmonster" sondern eine Art Tier, das man anständig behandeln muss, mit dem man Spielen und Spaß haben kann. In den fast zwei Jahrzehnten, in denen ich den JD-800 spiele, musste ich dem Synthesizer zwar oft mit Kontaktspray zu Leibe rücken, um wieder die einwandfrei Funktion der Fader zu erreichen, aber Fader austauschen lassen musste ich nur zwei oder drei Mal. Der Schwachpunkt am JD-800 ist im Grunde nur die Tastatur, denn die ist nicht wirklich toll und das Aftertouch verlangt zudem einen wirklichen Kraftaufwand, dass man gelegentlich Angst hat, die Tasten wurden in Kürze zerbrechen.

Der Roland-Nachfolger für den JD-800 heißt im Übrigen JD-990 und ist ein Rackmodul, das von den Möglichkeiten her zwar nochmals ausgereifter ist als sein Vorgänger, wobei aber die Bedienungsoberfläche einiges zu wünschen übrig lässt, weshalbd die Arbeit mit dem JD-800 und seinen Kontroll-Fadern natürlich viel mehr Spaß macht.

Zu Besuch bei Rainer Sauer: Das Arbeitszimmer mit dem A-U-T-O-B-A-H-N 4-KLANG Studio im September 2011 (Teil 1 von 2 Teilen)

Von Peter Schupp (Text) und Tom Behrend (Fotos) © Elektromusik.org 2011

Am Wochenende konnten wir Rainer Sauer in seinem 4-Klang Studio am Jenaer Saalbahnhof besuchen. Erst einmal hieß es warten im Garten bei kühlen Getränken, denn Herr Sauer kam erst am späten Nachmittag
aus Nürnberg von der Noris Force Con III zurück, die er zusammen mit seiner Tochter besucht hatte; der Autobahn-Verkehr auf der A9 war daran schuld, sagte Sauer, und man hätte besser mit der Bahn fahren sollen. Der bekennende Star Wars Fan erzählte kurz, was er auf der NFC erlebt hatte und öffnete uns dann sein Arbeitszimmer, in dem seit einiger Zeit die Musik des A-U-T-O-B-A-H-N Projektes entsteht und in dem er verschiedene seiner A-U-T-O-B-A-H-N-Gerätschaften aufgebaut hat.

Stilecht sollte es zugehen und deshalb zog er extra für die Fotos, die Tom Behrend aufnehmen durfte, sein "Kraftwerk-Outfit" an, das er seit 1986 gelegentlich bei Auftritten trägt. Dabei verriet er uns noch, dass er sich schon 1979 eine Jacke mit eingebautem roten LED-Lauflicht über der linken Brustseite gebastelt hatte, die ihm aber leider 1983 nach einem Auftritt abhanden kam. Das Hemd und die Krawatte sind aber noch sein "echtes" Outfit von 1986.

Hier und jetzt kann man erstmals exklusiv Fotos von Rainer Sauers Arbeitszimmer mit einen Teil der A-U-T-O-B-A-H-N Klangerzeuger sehen, darunter einem den "Twin Towers" (= zum Vergrößern bitte auf das jeweilige Foto klicken; dann rechter Mausklick und "Grafik anzeigen" wählen!)

Ebenfalls in Sauers etwa 6 x 4 Meter großem Arbeitszimmer ist ein Teil seines Tonarchivs und seiner Bücher untergebracht, außerdem sein Zeitschriften-Archiv. Darunter sind ganze Jahrgänge der Funkschau-Zeitschrift (Sauer hat ja bekanntlich zwischen 1980 und 1983 journalistisch für das "Synthesizer Magazin" gearbeitet, bevor er zum Hessischen Rundfunk wechselte), des Magazins Keyboards und von Riebes Fachblatt Musik Magazin. Am interessantesten war für uns aber das "Sounds vom Synthesizer"-Archiv mit allen Sendeplänen und -abläufen der Jahre 1984 und 1985.

Hier, in diesem Bericht, haben wir vor allem den vorderen Bereich des Arbeitszimmers dokumentiert, der andere Bereich folgt im zweiten Teil unseres Berichtes. In diesem hinteren Bereich befindet sich Sauers Schreibtisch, zwei Großrechner mit den Aufnahmemedien und an der Wand hängen u. a. zwei goldene Schallplatten und eine Fotocollage, die es wert ist, genauer betrachtet zu werden. Deshalb haben wir sie hier schon einmal mit eingebaut.

Das Arbeitszimmer hat übrigens einen direkten "Draht" zu Sauers Jenafarm-Studios am Saalbahnhof (Foto rechts), in denen u. a. "Radio Jena" seine Sendungen produziert. So ist ihm eine optimale Verbindung zwischen konfortablem Wohnen und professionellem Arbeiten gelungen. Ideal hierfür war, wie Rainer uns erzählte, dass die Deutsche Bahn AG vor eingen Jahren den traditionsreichen früherem Hauptbahnhof Jenas verkaufen musste und sich die Wohn- und Arbeitsbereiche für ihn und seine Familie nun auf zwei Grundstücke aufteilen, die direkt am Saalbahnhof liegen; nähere Informationen zum Saalbahnhof findet man HIER.

Wir möchten Rainer Sauer an dieser Stelle für seine Großzügigkeit und sein Entgegenkommen danken, uns das alles ansehen zu dürfen und die Fotos machen zu können. Die Fortsetzung unseres Berichtes folgt im Oktober mit dem zweiten und letztem Teil.

Hinweis vom A-U-T-O-B-A-H-N 4-KLANG BLOG Webteam:
Dieser Artikel wurde gegenüber seiner ursprünglichen Fassung des 19.09.2011 durch die Autoren textlich überarbeitet; Fotos sind davon nicht betroffen!

Eine kleine Führung durch die Welt der Elektromusik-Klangerzeuger | Teil 8: Open Labs "Most innovative Keyboard Open System" / MiKO Timbaland Edition

Legendäre Synthesizer haben ihre Legenden. Legenden zur Konstruktion, Entstehung, zu ihren Namen oder zur Farbgebung. Heute gibt es mal ein paar kleine Infos zu Namen und Farben:

PPG Synthesizer hatten stets blau zu sein, Oberheim Synthesizer weiß, Clavia Musikinstrumente sind einfach rot - so etwas hat natürlich auch einen großen Wiedererkennungswert.
Sich einen Fairlight CMI in schwarz vorzustellen war für Musikfans ebenso undenkbar wie die Farbe grün einen Moog oder einen Prophet 5 oder 10 in orange. Das ging auf Herstellerseite sogar so weit, dass man die Firmenfarben beibehielt, auch wenn die Produktnamen plötzlich nicht mehr zur Firmenfarbe pasten.

Electronic Dream Plant (siehe Foto rechts / zum Vergößern Foto anklicken!) zum Beispiel hatten ihren Wasp Synthesizer stilecht in Scharz-gelb auf den Markt geworfen und legten nach mit den Spider-Sequencer und dem Gnat, obwohl die Farben zu diesen Insektennamen nicht mehr kompatibel waren.

Aber es geht namenstechnisch auch anders. Oft sind Firmen- und/oder Produktnamen schlicht und einfach Abkürzungen, etwa bei dem Oberheim SEM (= Synthesizer Expansion Module), der Firma PPG (= Palm Products Germany) oder beim Synthesizerhersteller ARP, dessen drei Bustaben für den Firmengründer Alan Robert Pearlman standen. Auch bei den Computer-Keyboards der Firma Open Labs LLC. aus Austin/Texas (die auch "die Live-Musik Hauptstadt der Welt" genannt wird) ist dies so.

Open Labs entwickelt seit 2003 maßgeschneiderte Elektromusik-Keyboards,
Laptops und Software-Programme für Musiker in aller Welt, was recht gut gelang, denn die Designer und Techniker von Open Labs verfügten über eine Fülle von Erfahrungen in Computer-Systemen, der Musikinstrumentenbrachche, beim Produktdesign, der Live-Performance und mit Anwendungssoftware.

Vor allem durch seine "All-In-One"-Produkte NeKO und MiKO und seine Musiksoftware M(usic)OS wurde Open Labs inzwischen weltbekannt, wobei die Produktbezeichnungen NeKO und MeKO Abkürzungen sind. Ursprünglich sollte das erste Produkt von Open Laba EKO heißen, als Abkürzung für "Evolutionary Keyboard Open System". Zu spät bemerkte man in Austin, dass der Name EKO in der Keyboardbusikbranche schon von einer italienischen belegt war von einr italienischen Firma belegt war, die hauptsächlich Orgeln, E-Pianos und Rhythmusgeräte herstellte. Also nannte man das Instrument trotzig "NotEKO", abgekürzt "NeKO", was nun aber wieder dem Namenprinzip zuwider liefi, war das System doch keinesfalls "NOT evolutionary".

Besser klappte es bei der kompakten Bühnenversion des NeKo, dem MiKO. Hier steht die Abkürzung für "Most innovative Keyboard Open System". Ich habe mir 2009 ein MiKO angeschafft und zwar in der "Timbaland Special Edition"...nicht etwa weil ich ein großer Fan von Timbaland war oder bin sondern, weil das die einzige MiKO ist, die es in weiß gibt. Und die A-U-T-O-B-A-H-N-Farben sind nun mal blau und weiß.

Diese kompakten Systeme haben ja wirklich den großen Vorteil, dass eben alles schon drin ist: hier angefangenen bei der sehr guten Tastatur über die Firebox bis zum Touchscreen. Natürlich stürzt ab und an auch mal etwas ab, aber wenn man verstanden hat, wie man die einzelnen Komponenten wieder mit den passenden Treibern versorgt, dann ist das im Grunde kein wirkliches Problem.

Amüsieren könnte ich mich immer wieder über Schlauberger, die in Musikerforen meinen, ein Fantom, OASYS* oder ein MiKO seinen überflüssig und überteuert und mit einen guten Laptop würde das auch alles gehen. Erstens braucht man dafür einen wirklich guten Computer, zweitens eine anspruchsvolle I/O-Box und eine gute Tastatur, drittens jede Menge VST-Software, viertens Kabel, fünftens Nerven beim Live-Aufbau und sechstens fehlen dann am Ende viel zu oft doch die richtigen Files oder was auch immer. Wenn man am Ende alles zusammen rechnet, kommt man so auch auf mehrere Tausend Euro.

In einen offenen Studiosystem hat man dies alles schon mit drin und kann nach dem Auspacken auf der Bühne oder im Studio sofort loslegen. Wer da den Vorteil gegenüber der billigeren Bastel-Alternative nicht sieht, der ist selbst schuld.

In meinem MiKO bereits enthalten war als Hardware ein PC mit Core2Duo-Prozessor (2,1 GHz), 4GB RAM und 1,5 TB Festplatte, eine gewichtete Fatar/Studiologic-Tastatur, ein Trackpad, ein Touchscreen, eine Firebox-MIDI/Audio-I/O-Schnittstelle von PreSonus und verschiedenste Studio- und DJ-Reglungsmöglichkeiten ("Alpha Control Module").

Soundsoftwareseitig verfügt das MiKO in der "Timbaland Special Edition" werksseitig bereits über u.a.: E-MU Proteus 2000, E-MU Mo’Phatt, E-MU Modular System, vier Ensoniq Synthis, ARP 2600, ARP Axxe, JD800, Jupiter 8, JX-8P, Juno 60, Memorymoog, Mini Moog, Moog Taurus, Prophet 10 und Prophet 600, Elka Rhapsody, Mellotron Mark II, Korg MS20, ARP Solina, Oberheim OBX, ein CP-70 und eine Symphonic Orchestra Library. Von Arturia habe ich später moch noch das Moog Modular, den ARP 2600, den CS80 und das Laboratory aufgespielt, außerdem den KiKAxxe (von FarOutWare) und Roland Fantom G Sounds.

Neben der bereits vorhandenen Open Labs Musik Software (= u. a. mFusion, Karsyn und MimiK**) habe ich inzwischen noch Steibergs Cubase 5 und Wavelab sowie das Music Maker Programm von Magix installiert, so dass mein "Most innovative Keyboard" inzwischen wirklich ein ganz tolles Elektromusikmaschinchen geworden ist, mit dessen Hilfe ich relativ frei arbeiten kann.

Neu kostet ein MiKO derzeit zwischen 3.800 US$ (= MiKo Generation 6) und 4.800 US$ (= MiKo LXD). Da es nach wie vor keinen Händler für Deutschland gibt, muss man diese Geräte in den USA direkt beim Hersteller bestellen.

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* = "OASYS" wurde von Korg entwickelt und die Abkürzung steht für "Open Architecture Synthesis Studio"

** = "MimiK" ist ein Softwareprogramm mit dessen Hilfe man Sounds anderer Synthesizer klonen kann. Über MIDi und Stereo-Audiokabel werden NeKo oder MiKO mit dem zu klonenden Synthesizer verbunden. Dann simuliert "MimiK" Tastendruck für Tastendruck (in beliebiger Länge) und Note für Notewerden verschiedene Velocity-Layer, After-Touch-Schichten etc. erzeugt. Das gesamt Ergebnis wird von "MimiK" für jeden Einzelsound in eine allgemein lesbare Sample-Library-Datei (SFZ) exportiert und auf der NeKO bzw. MiKO abgelegt, wahlweise bis zu 96K / 32bits und in Stereo oder Mono.

Elektromusik A-U-T-O-B-A-H-N der Besten: Das "SYNTHESIZERSTUDIO BONN" feat. Dirk Matten und Hajo Wiechers

Zwei Thesen, wie die internationale Musikszene ohne Dirk Matten und Hajo Wiechers aussehen würde:

1. These: Klaus Schulze (Foto links) arbeitete bis Anfang 1975 noch ohne Sequencer. Dem Schlagzeuger in Schulze fehlte der strukturierte Synthesizer-Rhythmus, dem Menschen in ihm das Geld um sich den damals noch weitgehend konkurrenzlosen Moog Sequencer anschaffen zu können, denn der im EMS Synthi AKS enthaltene digitale Sequencer hatte sich als zu wenig praktikabel für Schulzes Musik erwiesen. Die aktuelle Schulze-Platte damals hieß "Picture Music", deren erste Seite "Totem". Schulze versuchte hierauf mit einem ARP 2600 Synthesizer und dessen Zufallsgenerator seiner Musik rhythmische Muster zu geben.

Schulze ging im Februar 1974 auf die Musikmesse nach Frankfurt und suchte dort nach einer Lösung. Auftritt Dirk Matten im (Dritte-Person-)O-Ton: "Auf der Musikmesse trafen die beiden Herren Matten und Wiechers Klaus Schulze, den bekannten deutschen Synthesizermusiker. Dirk sprach ihn an, ob er an einem Sequencer interessiert sei, und Schulze war sofort Feuer und Flamme. 'Wieviel?'und 'Die Kohle kannst Du sofort haben' so Schulze. Nach Monaten der Löterei auf dem Küchentisch von Hajos Mutter funktionierte der erste Sequencer und wurde noch halbfertig - die Rückwand war nicht einmal festgeschraubt, das Holzgehäuse nicht lackiert
- in Dirks VW Käfer gepackt und nach Berlin transportiert. Klaus war begeistert, den ersten Synthanorma Sequencer (= Foto rechts / zum Vergrößern bitte auf das Foto klicken) zu besitzen."

Der Rest ist Legende. Die nächste Schulze-Platte "Timewind", dieses Mal mit Sequencer, wurde für Klaus Schulze ein großer künstlerischer Erfolg (u. a. mit dem Deutschen Schallplattenpreis ausgezeichnet und dem französischen "Grand Prix International“); die auf dem Plattencover vermerkte Telefonnummer von Dirk Matten brachte den beiden schnell weitere Interessenten.

Klaus Schulzes Ruhm gründete sich also u. a. auf der Tatsache, dass er den Synthanorma Sequencer einsetzen konnte. Fünf Jahre später gab er über sein Independant-Plattenlabel IC der Band "Ideal" einen Plattenvertrag und hievte so eine Musikerin namens Annette Humpe in die Welt der Musikerfolge. - DIES WÄRE OHNE MATTEN & WIECHERS SO NICHT GESCHEHEN.

2. These: Kraftwerk waren einmal eine Musikgruppe, die vom Einsatz von Musiksequencer-Maschinen nicht überzeugt war und einen Mini Moog als einzig und alleinigen Synthesizer hatte. Heute kaum vorzustellen, aber genau so war das im Sommer 1975 kurz nach dem M&W Deal mit dem Synthanorma für Klaus Schulze

Damals besuchte Dirk Matten, in seiner Funktion als "fliegender Händler" für ARP und EMS Synthesizer, Florian Schneider von Kraftwerk und es entwickelte sich zwischen beiden ein freundschaftliches Verhältnis. Auch Ralf Hütter lernte er kennen und oft diskutierte man über Synthesizertechnik. Matten schwärmte stets vom Synthanorma, doch Florian Schneider und auch Ralf Hütter (Foto rechts) lehnten ab. "Ich bin ein menschlicher Sequenzer", soll Hütter gesagt haben, der dies u. a. in den Titeln "Tanzmusik" oder "Kometenmelodie" hinreichend bewiesen hatte. O-Ton-Matten: "Gegenargument: Der Generaldirektor einer Firma arbeitet ja auch nicht selber am Fließband, oder anders: Glaubst Du, daß Herr Thyssen die Thomasbirne etwa selbst ansticht?"

Es folgten Diskussionen zur "Conductor-Philosophy" von Kraftwerk. [Vereinfacht beschrieben ist die "C.-Ph." eine Grundeinstellung von Komponisten gegenüber elektronischen Speicher- und Steuereinheiten. Diese Grundhaltung wird von ihnen nicht wie das Verhältnis Spieler-Instrument, sondern eher als Beziehung Dirigent (engl. conductor) -Orchester verstanden: Denn Hybride Systeme können Funktionen der Speicherung ("Partitur"), deren spätere Beeinflussung ("Interpretation") und wiederum deren Speicherung ("Reproduktion") ausführen, während der Dirigent/Musiker diese nur steuert.] Vielleicht konnte Dirk Matten Herrn Hütter ja aufzeigen, wieviel klangverändernde Kreativität einem Musiker gegeben wird, wenn er eine Melodie nicht selbst spielen muss sondern statt dessen die Freiheit hat, mit und am Klang zu arbeiten (siehe beispelhaft beim KW-Titel "Spiegelsaal"). Jedenfalls sagt Florian Schneider heute: "Herr Matten hat uns vom Sequenzer-Konzept überzeugt" und schon die folgende Kraftwerk-Platte begann mit einem Synthanorma Titel und zwar mit "Europa Endlos".

Ohne Synthanorma Sequencer-Komponenten wäre das 1976 aufgenommende Album "Trans Europa Express" nicht so geworden, wie man es kennt und hätte sicher nicht die amerikanische Hip-Hop-Musik derart beeinflusst, dass man heute noch vom Kraftwerk-Rhythmus schwärmt. Dass neben Conny Plank kurz danach auch Kraftwerk einen ARP Odyssey in ihrer Musik einsetzten (= eines der Hauptinstrumente auf "Mensch Maschine") sei nur nebenbei erwähnt. - Kurzum: AUCH DIES WÄRE SO OHNE M&W NICHT GESCHEHEN.

Soweit die zwei Thesen.

"Lonely? Just call Dirki..." stand auf einer der Annoncen des Synthesizerstudios Bonn, die in den 1980er- und 1990er-Jahren ebenso Kult waren wie das Studio selbst und die zwei Kerle,
die es betrieben. Angesiedelt in der "Kölnstraße" (kurz danach in der "Franzstraße" und später "Auf der Kaiserfuhr") war das SSB bis kurz vor der Jahrtausendwende "die" Adresse für alle Synthesizernteressierten Deutschlands. Als Moderator der "Sounds vom Synthesizer" kam ich viel in Kontakt mit Elektromusikern und nahezu alle hatten da schon etwas in Bonn oder aus Bonn gekauft.

Synthesizerenthusiast Matten und Technikingenieur Wiechers eröffneten das Synthesizerstudio in der damaligen Bundeshauptstadt vor genau fünfunddreißig Jahren, nachdem Matten bereits am 3. September 1971 einen ersten eigenen Laden aufgemacht hatte, und es war in seiner Art damals einmalig auf der Welt. Seit dem die beiden den ARP Sequencer in ihr Programm aufgenommen hatten, träumte auch ich von einem eigenen ARP Synthesizer und dem dazugehörenden Sequencer. Ersteres konnte ich mir 1978 anschaffen, letzteres ein Jahr später - ich gebe es zu: beides kam nicht aus Bonn. Im Mai 1980 stand dann mein erster Besuch in der Franzstraße (Foto rechts) an und ich fuhr nicht mir leeren Hände zurück nach Frankfurt sondern hatte mir für 1.040,-- DM einen MOOG Prodigy gekauft und (dank Dirks wichtigem Hinweis: "MIt dem ARP Sequencer läuft der nicht. Du brauchst noch einen Spezialstecker. Den gibt's hinten im Pappkarton. Musste aber bezahlen!") für 18,-- DM auch noch einen Spezial-Trigger-Stecker mitgenommen.

Herr Matten gab mir in seinem Geschäft mit dem Neonschriftzug im Schaufenster auch wohlgemeinte und dazu noch völlig zutreffende Tipps zu Musikinstrumententests (ich hatte kurz zuvor einen geschrieben über den Mini Moog und dem Gerät fälschlich einen Zufallsgenerator angedichtet), dazu noch in nur zehn Minuten soviel diskretes Geschwätz, das in mir unschludige Künstlerwelten gleich reihenweise zusammenstürzten (O-Ton Matten: "Walter Carlos? Kenn ich nicht. Ich kenne nur 'ne Transe, die Wendy Carlos heißt" - "Tim Blake. Der kann doch gar nicht spielen. Der hat sich 'nen Moog-Spieler geholt, der die ganze Arbeit für ihn macht." "Klaus Schulze hat ja Geld wie Heu. Ist ja auch klar, wenn der Vater der Boss von der GEMA ist." *). Auch später hatte ich noch Kontakt zu "Dirki", der bisweilen sogar bei mir anrief, wenn er einsam war, und z. B. Tipps für die rechtlich einwandfreie Gestaltung der "Sounds vom Synthesizer"-Seite gab. :-)

Vieles über die SSB Philosophie kann man auf Mattens Webseite "Elektropolis" nachlesen, wobei man im Gästebuch durchaus auf illustre Namen treffen kann. Auf jeden Fall war das SSB zeitlebens unbeschreiblich, der Einfluss von Matten und Wiechers auf die Elektromusikszene (mindestens) in Deutschland riesengroß und der Kontakt zu den Mitarbeitern des Synthesizerstudios unersetzlich.

Ich bin daher froh, zum Jubiläum diese kleine Hommage schreiben zu dürfen.

Rainer Sauer

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* = 2:1 für Dirk Matten; lediglich bei Klaus Schulze und Erich Schulze irrte er...oder vielleicht doch nicht? - Wo war Erich Schulze eigentlich im Herbst 1946. Antworten bitte an diese Adresse.

Eine kleine Führung durch die Welt der Elektromusik-Klangerzeuger | Teil 7: Sprechcomputer, Vocoder und bearbeitete menschliche Stimmen

Heute, auf den Tag genau vor 45 Jahren, sah etwa die Hälfte der Deutschen die Zukunft und hörte zum ersten Mal eine Vocoder-Stimme. An diesem 17. September 1966 feierte die erste Folge von "Raumpatrouille - Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion" ihr Fernsehdebüt. Natürlich war es diese TV-Serie "pseudowissenschaftlicher Quatsch" (wie eine Zeitung schrieb), den sich trotzdem im Herbst 1966 mehr als 50 % der bundesdeutschen Fernsehzuschauer ansahen.

Ich möchte hier aber nur auf den Moment eingehen, als die Vocoderstimme (absolut Science-Fiction-trächtig und -trashig durch einen Siemens-Synthesizer, Bj. 1963) den Countdown zählte, was bei mir damals - ich war sieben Jahre alt - durch Mark und Bein ging. Das alles geschah knapp fünf Jahre, bevor Walter/Wendy Carlos einen Moog-Vocoder beim Soundtrack zu "A Clockwork Orange" benutzte, sechseinhalb Jahre bevor Kraftwerk in ihrer "Ananas Symphonie" einen selbst konstruierten Vocoder einsetzten (siehe Foto links), den sie 1974 mit "Autobahn" weltberühmt machten und ganze zehn Jahre, bevor Alan Parsons in "The Raven" mit dem EMI Vocoder diesem Sprechsound weiter kultivierte.

In meine Welt drang der Vocoder 1980 in Form der Korg-Variante ein, die als Soundbeeinflussungs-Instrument schon weit entwickeltwar und nur etwa ein Zehntel des EMS-Vocoders kostete, der damals oft genutzt wurde. Nur ein Jahr später bekam ich von Electro Harmonix deren Vocoder angeboten, den ich zwar nicht mehr bei unserer "Voyager"-Patte einsetzen konnte, der von mir aber bis 1985 oft live benutzt wurde und der auch auf "Enigmas" zu hören ist.

1984 kam dann der Votrax SC-01A Speech Modulator hinzu, das war ein amerikanischer Phoneme Synthesizer, den ich z. B. in meine letzten "Sounds vom Synthesizer"-Sendung einbaute und der von einem Commodore VC-20 gesteuert wurde (siehe Werbeanzeige rechts). Wenig später ersetzte ich ihn durch den fast baugleichen "SpeakEasy" Voice Synthesizer, der allerdings mit einen Commodore 64 verbunden werden konnte und schneller sprechen konnte.

Eigentlich wollte ich den Commodore-eigenen "Magic Voice Synthesizer" einsetzen, der jedoch zugunsten des Commodore Soundsamplers - an dem ich ind Kosta Kostis offiziell mitentwickeln durften - fallen gelassen und niemals offiziell verkauft wurde, weshalb ich einigermaßen stolz darauf bin, ein seltenes Exemplar des Prototypen zu besitzen, das Commodore uns einst überlassen hatte (siehe Foto links) und später (im Zuge der Insolvenz) nicht mehr um eine Rückgabe bat.

Die A-U-T-O-B-A-H-N Klangbilder Edition - Teil 5 -

Hier und jetzt kann man exklusiv einen Teil des A-U-T-O-B-A-H-N 4-KLANG Musikarchivs hören. Präsentiert wird es von Rainer Sauer im Rahmen seiner Initiative www.originalaufnahmen.de. Es sind dies unveröffentliche Songs oder Songfragmente, Elektromusik-Demos aus den 1990ern, Originalstatements und Interviews (teilweise bis 1977 zurückgehend), die nicht unbedingt etwas mit dem aktuellen Liveprogramm des A-U-T-O-B-A-H-N Projektes zu tun haben.

HIER IST DIE "KLANGBILDER EDITION - TEIL 5"

Alles wird präsentiert von Musicserv.Org und Streampad ist GEMA-frei aber trotzdem gut! Einzige Einschränkung dabei: Die Einspielungen sind gekürzt und mit dem "Newgale"-Fader vermischt, jeweils zu Anfang oder am Ende eines Takes. Mitglieder der "A-U-T-O-B-A-H-N Lounge" können übrigens die Takes in voller Länge und ohne den Fader anhören; mehr darüber erfährst du unter www.lounge-music.co.uk.

Um die Klangbilder zu starten, direkt auf den Track oder auf die Streampad-Leiste am unteren Rand des Bildschirms klicken.

Rechtlicher Hinweis: Bei den zu hörenden Takes handelt es sich um unveröffentlichte GEMA-freie Musik, präsentiert von der Musicserv Org, Midtown Build. Walwyn Sq., Charlestown/St. Kitts & Nevis in Zusammenarbeit mit Streampad AOL.

Es folgen Angaben zu den fünf Titeln der "A-U-T-O-B-A-H-N Klangbilder Edition - Teil 1"

Klangbild # 01: "Raumfahrt" ... aus Rainer Sauers "SAUNDLAB"-Arä zwischen 1991 und 1994
(hauptsächliche Klangerzeuger: Korg DW 6000, Roland U-110, Yamaha FB-01 DoubleSynthesizer, Roland SH-101, Yamaha VSS-30, Simmons SDS 7, Korg DDD-1 / MIDI-Sequencer: Commodore 128 mit Steinberg Pro 16 und SFX Soundsampler / Tonaufnahme: M.A.R.S.-Station Jena)


Klangbild # 02: "Orion" ... aus Rainer Sauers "SAUNDLAB"-Arä zwischen 1991 und 1994
(hauptsächliche Klangerzeuger: Kurzweil 250, Roland U-110, Yamaha FB-01 DoubleSynthesizer, Roland SH-101, Yamaha VSS-30, Simmons SDS 7, Korg DDD-1 / MIDI-Sequencer: Commodore 128 mit Steinberg Pro 16 und SFX Soundsampler / Tonaufnahme: M.A.R.S.-Station Jena)


Klangbild # 03: "(Americans are) Back In Space" ... ausRainer Sauers "SAUNDLAB" Arä zwischen 1991 und 1994
(hauptsächliche Klangerzeuger: Kurzweil 250, Yamaha FB-01 DoubleSynthesizer, Roland SH-101, Yamaha VSS-30, Simmons SDS 7, Korg DDD-1 / MIDI-Sequencer: Commodore 128 mit Steinberg Pro 16 und SFX Soundsampler / Tonaufnahme: M.A.R.S.-Station Jena)


Klangbild # 04: "Altitude - Floating Remix-" ... aus Rainer Sauers "SAUNDLAB" Arä zwischen 1991 und 1994
(hauptsächliche Klangerzeuger: Roland U-110, Yamaha FB-01 DoubleSynthesizer, Roland SH-101, Yamaha VSS-30, Simmons SDS 7, Schulte Compact Phasing A / MIDI-Sequencer: Commodore 128 mit Steinberg Pro 16 und SFX Soundsampler / Tonaufnahme: M.A.R.S.-Station Jena)


Klangbild # 05: "Interspace - Dry & Clean Mix-" ... aus Rainer Sauers "SAUNDLAB" Arä zwischen 1991 und 1994
(hauptsächliche Klangerzeuger: Kurzweil 250, Akai S-700, Roland U-110, Yamaha FB-01 DoubleSynthesizer, Simmons SDS 7, Korg DDD-1 / MIDI-Sequencer: Commodore 128 mit Steinberg Pro 16 und SFX Soundsampler / Tonaufnahme: M.A.R.S.-Station Jena)

A-U-T-O-B-A-H-N Raststätte: Einige Bemerkungen zum YAMAHA CS1x

(Zum Vergrößern der HiRes-Bilder bitte das jeweilige Foto anklicken!)

Der Yamaha CS1x ist klanglich ungefähr der größte Gegensatz zur Orgel Antonelli Solista IV, den man sich vorstellen kann. Das fängt schon bei der Größe an. Die Antonelli 2610 (siehe Foto oben) ist mächtig und robust gebaut, der Yamaha eher klein und fragil. Dafür hat die Antonelli ein überschaubares analoges Innenleben (nochmal zu merken: analog = man kann die Klangerzeugung anfassen und sehen...es gibt sie "wirklich" / digital = man kann die Klangerzeugung nicht anfassen, nur ihre Hülle...alle Schaltkreise sind im Innern von Chips unsichtbar vorhanden) und, im Vergleich zu einem programmierbaren Synthesizer, einen bescheidenen, leicht erkennbaren Klang.

Den Ausdruck "Soundmonster" mag ich nicht besonders, hier lasse ich ihn dennoch gelten. Der CS1x ist ein Soundmoster und was mich am Yamaha immer gestört hat, ist nicht etwa das Gerät an sich, sondern wie Musiker über diesen Synthesizer gesprochen haben. Es sei "klanglich nicht besonders aufregend", man könne mit ihm "vom Sound her nicht viel machen". Er sei "limitiert in seinen Möglichkeiten", ein "Technomusikgerät" (manche sagten sogar "Techoexpander"), als Synthi "nicht zu empfehlen". Also: das ist alles großer Quatsch.

Natürlich hat der CS1x nicht so viele Schieberegler wie der Roland JD-800, dessen Anblick einem seienerzeit schon das Wasser im Munde zusammen laufen ließ und den ich heute bei meinen Autritten auch nicht missen möchte. Aber einen Klang einstellen, herumprobieren, bearbeiten und programmieren kann man mit dem CS1x fast genauso viel wie beim 800er von Roland, wenn auch mit anderen Ergebnissen.

Immer wieder passierte es mir, dass ich nach Konzerten gefragt wurde: "Das da, was Sie mit dem Yamaha gemacht haben, ist aber nicht alles der Yamaha selbst gewesen?" - Doch, liebe Synthimusikfreunde, das war er und nur er! Beim CS1x leiste ich mir den Luxus, über MIDI einmal keinen anderen Expander zu steuern sond ihn allein für sich klingen zu lassen...aus den gerade beschriebenen Gründen. Wenn einmal ein MIDI-Kabel in ihm steckt, dann nur, damit er auch mal von einem Sequenzer extern angesteuert werden kann.

Dass der Yamaha nicht so viele Regler hat, wie z. B. der JD-800, das hatte ich bereits zugegeben. Aber er hat eine Menge Kippschalter und (vielleicht das Beste an ihm) einen Matrixregler, mit dem man schnell zwischen den einzelnen Programmierungsbereichen hin und her schalten kann. Und jeder Synthesist weiß: Wenn man mit einem Elektromusikgerät arbeitet, das im Gegensatz zu einem "ROM-Player", frei programmierbar ist, dann braucht man nur ein wenig Zeit zur Eingewöhnung in das Bedienungssystem und dann noch mehr Zeit um die einzelnen Klänge zu bearbeiten, und schon kann man mit ihm ganz große Dinge machen bzw. Performance-Klänge kreieren.

Ich habe mir diese Zeit genommen und herausgekommen sind warme JD 800 Sounds ebenso wie CS80 Stimmungsbilder, wunderschöne Arpeggio-Sequenzen ebenso wie tolle "Vintage"-Klänge, "böse" MOOG-Sounds und (natürlch) auch ein paar technische Sachen. Meine aktuelle CS1x Soundbank ist aber absolut livetauglich und bewährt und aus den A-U-T-O-B-A-H-N Konzerten der letzten und der kommenden Jahre nicht wegzudenken.

Für mich ist der kleine Yamaha CS1x ein ganz großer digitaler Synthesizer, der zusammen mit seinem Design-Klon, dem virtuell-analogen Synthesizer Yamaha AN1x (siehe Abbildung links), der inzwischen zu meinem Lieblings-Solo-Synthesizer geworden ist, die passenden Sound-Sets für alle Freunde straighter Sounds aus den Siebziger und Achtziger bietet.

Das wollte ich hier nur einmal kurz erwähnt haben. Auch wenn der Roland JD-800 natürlich in der nächst höheren Sound-Liga spielt.

Rainer Sauer, im September 2009

Das lange A-U-T-O-B-A-H-N Interview mit Rainer Sauer | Teil 2: Darüber, was Alphaville mit Madonna gemeinsam haben und den ultimativen Synthesizer

Das Interview führte Tim Schwarz für "Elektromusik Online". FORTSETZUNG VON TEIL 1:

EMO: Lernt man viel, wenn man, wie Sie sagen, mit offenen Ohren durch die Welt geht? Und was könnte das sein?

Sauer: "Mit offenen Ohren" soll ja darauf hinweisen, dass es keine gespräche sind, aus denen wir lernen können. Interviews habe ich seit 1976 geführt, das erste übrigens mit Mike Krüger, und das hatte rein gar nichts mit Elektromusik zu tun. Aus Interviews kann man eine Menge Informationen für sich schöpfen und, wenn der Gegenüber ein Mensch ist, der etwas mitzuteilen hat, wie etwa Erich von Däniken, dann hat das auch etwas mit Information über das Interview hinaus zu tun. Aber die "offenen Ohren", das sind oft die kleinen Feinheiten zwischenden Fakten. Was war zuerst da: die Henne oder das Ei? Schwierig zu beantworten, wenn es um Musik geht.

Nehmen wir mal Alphaville. Im Januar 1984 kam ihre erste Single "Big in Japan" wie aus dem Nichts auf den ersten Platz der U.S.-Dance-Charts. Aber: "wie aus dem Nichts" ... kann so etwas sein, wenn man nicht Bob Dylan heißt? (Sauer lacht!!) Sicher. Und so etwas hat dann auch weltweiten Erfolg und wird kopiert. Sogar von den ganz Großen. Natürlch dezent, unauffällig.

Wer sich mit offenen Ohren durch die Zeit treiben lässt, der bemerkt zum Beispiel, dass es drei Jahre später einen ganz ähnlichen Song gibt von Madonna, "La Isla Bonita", der einiges vom Rhythmus her von Alphavilles "BIJ" übernimmt. Oder nehmen wir Alphaville selbst: Frank Mertens, die treibende Kraft hinter den ersten Alphaville Hits, der stieg schon 1984 aus. "Mertens" ist allerdings nur sein Künstlername, bürgerlich heißt er Frank Sorgatz. Es gab aber damals in der Alphaville-Konkurrenz-Band Propaganda - bekannt geworden u. a. mit "Mabuse" und "P-Machinery" - einen Herrn namens Michael Mertens und so kam Frank Sorgatz zu seinem Künstlernamen. Das sind für manche Menschen Informationen, deren Abspeicherung im Gedächtnis sinnlos ist. Für mich ist so etwas aber wichtig für's Gesamtbild, wie hier das der Elektromusik, und so setzt sich mit der Zeit alles wie in einem Puzzle zusammen und manche Dinge werden einem klarer als zuvor.


EMO: Sie erwähnten Peter Baumann und dessen "Audity"-Synthesizer Projekt. Was gibt es darüber zu wissen?

Sauer: Ohne die richtige Einleitung, wäre das nur ein Crashkurs in Sachen Audity. Wenn Sie gestatten, hole ich etwas weiter aus.


EMO: Bitte!

Sauer: Gut: ich kann meine frühen Elektroklangmethoden der 70er Jahre reproduzieren, mit dem UKW-Radio, dem Elektronik-Blitzgerät, dem Taschenrechner und der Digitaluhr. Ja, ICH war tatsächlich Kraftwerks "Musikant mit Taschenrechner in der Hand", das muss so um 1974/75 gewesen sein, also das war schon immer für mich "mein" Song und wenn ich das heute zu Beginn der "A-U-T-O-B-A-H-N" -Konzerte auf der Bühne mache, staunen die Menschen sehr darüber und wundern sich, wie einfach Elektromusik gemacht werden kann. Dann finde ich mich natürlich noch immer in den Synthesizerwelten der 80er Jahre zurecht und fast alle Klangerzeuger der 90er Jahre sind noch intakt und klingen so, wie sie sollen.

Aber was wäre ich in der Klangwelt der Neuzeit ohne die ganz modernen Maschinen wie etwa den E-MU Audity 2000? Ohne eine Soundgeneration, wie sie der Audity 2K dem Musiker zur Verfügung stellt, wäre der Soundtrack von "Tron Legacy" undenkbar, wäre "Tour de France Soundtracks" seines Grundklanges beraubt, die Technomusik zur Jahrtausendwende im Sumpf stecken geblieben. Doch was macht den modernen Audity so innovativ?

Zum einem ist er einem der legendärsten Elektromusikinstrumente aller Zeiten nachempfunden: dem originalen Audity Synthesizer. Für ihn hat Peter Baumann einst Tangerine Dream verlassen, getreu dem Grundsatz: "Opfer müssen gebracht werden". Zweitens baut der Audity 2K seine aktive Klangbeeinflussung auf E-MU Systems bewährter Synthese-Architektur (mit Z-Plane-Filtern, wechselnden Hüllkurven etc.) auf. Als Klanggerüst dienen hierbei 32 MB an ROM-Wellenformen, die viele moderne Musikstile von Urban, HipHop, Dance, Electro bis Techno abdecken. Zusammen mit der Klangformung aus Filtern, Hüllkurven, Arpeggiatoren und syncbaren Modulatoren, werden im Audity 2K rhythmische Texturen möglich werden. Das Klangbild erweitern dann zwei Effektblöcke mit Standards wie Reverb, Delay, Chorus, Phaser und so weiter. In seinem unfassbar großen Bauch hat der Audity 2K insgesamt 640 ROM- und 256 User-Presets und er ist darüber hinaus 64stimmig polyphon spielbar/ansteuerbar.

Aber nun zu Ihrer eigentlichen Frage, zur Historie: Es war einmal...und war doch nicht. 1977 hatte ein Tangerine Dreamer einen Traum. Was wäre, dachte Peter Baumann, wenn man einen ultimativen Synthesizer konstruieren und vermarkten würde? Er schmiss seinen Job dei TD, investierte Geld und Ideen, fand mit der Firma E-MU Systems Inc. einen Partner und...voila...der Audity war geboren. Zumindest als Konzeptidee. Das war 1978.

Schon zuvor hatte sich Baumann Synthesizer nach eigenen Ideen bauen lassen und bei TD eingesetzt. Nun aber wollten Dave Rossum und Scott Wedge (eher bekannt unter ihrem Firmennamen E-MU) angesichts eines expandierenden Synthesizermarktes und unter dem Eindruck des Erfolgs von Geräten wie Sequential's Prophet-5 ein Stück vom großen Kuchen abbekommen. Baumanns Synthesizerkonzept schien beiden eine erfolgreiche Option hierfür zu sein: ein 16-stimmiger Synth mit einer Masse an Programmierungsmöglichkeiten und hoher Stimmstabilität durch neueartige Computerbauteile und -controllerkarten: der "Audity" war geboren.

Unglücklicherweise wurde das Instrument mit einem Startpreis von 70.000 US Dollar (und der Kurs stand damals bei über 2 DM pro Dollar) so teuer, dass niemand auf der Welt einen Audity kaufen wollte. E-MU zog, kurz vor der Firmenpleite, die Notbremse, stoppte die Audity-Produktion noch bevor diese richtig begonnen hatte und wandte sich einem anderen Geschäftsfeld zu, dass damals gerade das australische Fairlight CMI (= Computer Musik Instrument) und der Crumar G.D.S. erschlossen hatten: der Sampler wurde geboren. E-MU Systems kam mit dem Emulator auf den Markt, der sogar noch etwas preiswerter war, als es der Audity hätte sien sollen und man eroberte damit die halbe Welt.

Seinen Audity hatte E-MU allerdings bie wirklich aus den Augen und aus dem Sinn verloren. Und als man kurz vor der Jahrtausendwende seinen Proteus Klangmodulen eine neue Klangarchitektur verpasste, übernahm man bei E-MU das neue Bedienungsdesign für eine Klangsynthesemaschine namens Audity 2000, oder wie ich ihn nenne: 2K (Anm.: auf dem unteren Foto in der Mitte der drei Module).

Heutzutage gibt es weltweit ein einziges Exemplar der E-MU Audity Serienproduktion, logischerweise mit der Seriennummer 0001. Es steht in der "Synthesizer Gallery" der Cantos Music Foundation in Kanada. Da der Audity niemals endgültig fertig gestellt wurde ist er inzwischen so etwas wie ein Ausstellungsstück, wie der ultiative Synthesizer hätte sein können - vergleichbar mit einer weit entwickelten Konzept-Studie eine Fahrzeugs, das dann doch nicht in Serie gebaut wurde. Obwohl der Audity 2K den Namen mit dem Original gemeinsam hat, so ist es doch ein völlig anderes Instrument, dessen grundsätzlicher Klangaufbau den Proteus-Modellen von EMU ähnlich ist.

Um sich den Klang eines Audity 2K vorzustellen (und man bedenke schon hier: EIN Klangbild aus tausend unterschiedlichen Möglichleiten) erinnere man sich an die EInleitung zu den "Tour de France Soundtracks" von Kraftwerk. Ja, genau so kann der Audity klingen. Doch der Audity 2K ist ein digitaler Synthesizer mit beispiellosen 16 Arpeggiatoren, die man gleichzeitig (!) arbeiten lassen kann. Es mag sein, dass einige Leute denken, der Audity 2K habe einen "blechernen" Oberton. Das liegt an den 12-poligen digitalen Resonanz-Filtern und ist so. Aber wenn man noch andere Elektromusikinstrumente "im Angebot" hat, wie man so schön sagt, dann ist er eine wunderbare Ergänzung des Gesamt-Klangbildes

[...to be continued...]

Elektromusik A-U-T-O-B-A-H-N der Besten: "KRAFTWERK" - Ralf Hütter und Florian Schneider



in der Tat ist KRAFTWERK eine besondere und einzigartige Band. Das einize verbliebene Gründungsmitglied, Ralf Hütter, der zusammen mit Florian Schneider KRAFTWERK 1969 ins Leben rief, arbeitet derzeit mit zwei Assitenten (Fritz Hilpert und Henning Schmitz) an einem neuen Album, das 2012 erscheinen soll...wenn es nicht 2013, 2014 oder 2015 erscheint. Hütter und sein Ex-Partner Schneider, der seit 2009 den wohlverdienten Ruhestand genießt, geben selten bis kaum Interviews, denn KRAFTWERK war schon immer eine sehr private Band. Ihr legendäres Düsseldorfer Tonstudio "KlingKlang" hat keinen Computeranschluss, kein Telefon, kein Fax, keinen Empfang und die Deutsche Post gibt sämtliche Briefe ungeöffnet an die Absender zurück. Kaum eine andere Musikband hat derart akribisch und mit solcher Hingabe die Öffentlichkeit gemieden wie KRAFTWERK. Und ich muss es wissen, denn 1988 lud ich sie über ihre Plattenfirma EMI zu den Frankfurter Synthesizertagen "White Waves" ein - nicht um zu spielen, sondern für eine Preisvergabe - und sie erschienen nicht nur nicht, sondern sie meldeten sich auch nicht und irgnorierten die ganze Sache vollständig.

Zwischen 1971 und 1981 veröffentlichten sie acht Alben, von denen die letzten fünf Alben die Gruppe ab 1974 weltberühmt gemacht haben: "Autobahn", "Radioaktivität", "Trans Europa Express", "Die Mensch Maschine" und "Computerwelt". Und trotz allem medienrummel sind sie "sehr private Leute" geblieben, wie Dirk Matten sagt, der Florian Schneider und Ralf Hütter gut kennt.

Danach erfolgten Veröffentlichungen eher sporadisch: 1986 erschien mit "Electric Cafe" das vorletzte und 2003 mit den "Tour de France Soundstracks" das aktuelle Studioalbum plus mit "The Mix" (1991) ein Best-Of, mit "Minimum Maximum" (2005) ein Live-Album und mit "Der Katalog" (2009) eine Remaster-Edition.

Einige Geheimnisse wurden inzwischen enthüllt, zum Teil von Ex-Mitstreitern wie Karl Bartos und Wolfgang Flür, die einige wenige Internas bekannt gaben (und dafür, wie Wolfgang Flür, sogar vor Gericht gezogen wurden), teils von Fans (die nach Jahren der vergeblichen Suche das KlingKlang-Studio und entdeckt zu haben glauben), teils von Reportern (die u. a. herausfanden, dass Ralf Hütter ein rennrad und ein zusammenklappbares Fahrrad sein eigen nennt), aber im Grunde hat dies alles nichts mit dem Phänomen KRAFTWERK zu tun.

Ich finde auch nicht, dass KRAFTWERK jemals wirklich ein Geheimnis um ihr Studio in Düsseldorf-Friedrichstadt gemacht haben. Eingetragen war die Kraftwerk GbR Ralf Huetter / Florian Schneider scon immer in der Mintropstr. 16 und auch an den Klingelknöpfen gab es immer auch (mindestens) einen Hinweis. Mal stand "Stephan", mal stand "Pfaffe" drauf, stets konnte man in Sütterlin-Schrift "Zentral-Labor" lesen und "Filmfertigung" oder "Ingenieurbüro für Tontechnik und Akustik" (wobei das aber tatsächlich zu Joachim Dehmann und dessen Fachhandel für Radio, Funk, Fernsehgeräte, Phono und Video gehört). Auch der "Elektro"-Hinweis im Innenhof war ebenso vorhanden, wie hin und wieder Florian Schneiders grüne Limousine und ein Fahrrad.

Allerdings konnte man sich stets auf Diskretion verlassen, selbst als die von Ex-KRAFTWERK-Drummer Klaus Dinger nach Düsseldorf verpflanzten japanischen Musiker Satoshi Okamoto und Kazuyuki Onouchi (aka "Sub-tle") ihr Domizil gleich neben dem Studiokomplex bezogen; auf ihrer MySpace-Seite stand kein Wort zu KRAFTWERK vermerkt. Und kaum jemand, der bei ihnen klingelte, ahnte, was nur zwei Kling-Klang-Klingeln tiefer möglich gewesen wäre. Auch ich verrate es nur deshalb, weil das Kling-Klang-Studio von Henning Schmitz inzwischen auf die andere Rheinseite nach Meerbusch verlegt worden ist, nahe dem Campingplatz. Diskrete Menschen haben eben ein diskretes Leben verdient.