Das Interview führte Tim Schwarz für "Elektromusik Online". FORTSETZUNG VON TEIL 2:
EMO: Gibt es vergleichbare Synthesizer?
Sauer: In meiner Musikwelt oder allgemein?
EMO: Sowohl als auch.
Sauer: OK! Das kann ich, allgemein betrachtet, nicht wirklich umfassend beantworten. Außerdem kenne ich nicht alle Musikinstrumente der Welt. Auch wenn ich schon viele gesehen und eine Menge ausprobiert habe. Wenn ich die Frage aber auf das A-U-T-O-B-A-H-N Projekt beziehe, dann fallen mir spontan der Blofeld von Waldorf ein, der Quasimidi Quasar und natürlich die Supernova.
Der Blofeld ist der kleine Bruder des gigantischen Stromberg aus der PPG-Nachfolger Klangschmiede Waldorf. Allerdings ist die Synthesestruktur beider Geräte nahezu identisch und beruht auf der bekannten Waldorf DSP- und Filter-Technologie und vereinigt in sich fast alles, was PPG/Waldorf jemals geschaffen hat, von den PPG Wavetables bis hin zur Waldorf Filtertechnologie, universellen LFOs und Wolfgang Palms sehr schnellen Hüllkurven. Ich habe den Blofeld als Desktop-Gerät im Einsatz, das genügt vollkommen. Ich liebe ja offene Systeme und das ist so eines zum Verlieben. Ganz genau so wie es 1980 für mich bei meinem EMS VCS3 war (siehe Foto ganz oben), jedenfalls immer bezogen auf den jeweiligen Stand der Technik. Damals war eben alles analog und heute ist alles digital und durch Software gesteuert.
Beim Quasar und der Supernova ist wieder alles anders bei der Klangerzeugung als beim Blofeld. Den Quasar mag ich vor allem deshalb, weil die anderen Vorzeigeinstrumente von Quasimidi klanglich weniger bodenständig sind. Ausgestattet mit "Multi Algorithm Sound Synthesis", das ist eine Kombination aus FM-Synthese plus subtraktiver und additiver Synthese, bei der alle Parameter als Offsets programmiert werden können, also man kann ein Soundset in allen möglichen Einstellungen relativ zum Ursprungswert verändern, ist der Quasar der klassische Dancefloor und Techno-Synthesizer.
Mir gefiel diese Möglichkeit der Klangveränderung und auch, dass man seine Soundbasis erweitern kann und natürlich vor allem die tiefe Bass-Wiedergabe. Deshalb habe ich ihm auch ein TRE-Board spendiert, also die Erweiterung um 256 Techno, Rave und Electronic Sounds, wobei der Ur-Quasar ja schon bereits 8 MB an ROM-Samples hat und das TRE-Modul ihn auf satte 1140 Presets bringt. Dabei sind sechzehn 24-stimmige Drumsets, so dass man ihn, wenn man das will, wie den Rave-O-lution 309, der ist ja auch von Quasimidi, klingen lassen kann. Schulze-Fans wissen, was ich damit meine. Klaus hat ja, wie man hört, acht oder neun 309er auf der Bühne im Einsatz. So viele brauche ich nicht, mir reicht der eine Quasar.
Aber "Es muss ja nicht immer Quasar sein...", um Herrn Simmel abzuwandeln. Ich habe ja auch noch eine Supernova. Ein unglaubliches Gerät, kommt in unschuldigem Dunkelblau daher, man erinnere sich: Pink Floyd "Black and Blue..." (Sauer singt) "...and who knows which is which and who is who" - nicht so knallrot wie die Nord Sachen. Aber was man damit machen kann. Unglaublich! Ein Gerät, das auch optisch beeindruckt. Peter Gorges vom "Keyboards"-Magazin, also jemand, bei dem die ersten Fotos eines neuen Synthesizers kaum noch ungebremst auf den Adrenalinspiegel durchschlagen, war damals schwer beeindruckt. Ende 1998 war das. Jede Menge Knöpfe - in Worten: 48 -, 32 Stimmen, acht Sounds gleichzeitig, acht Ausgänge, ein gutes und übersichtliches Routing-System mit subjektiv "warmer" FM-Klangerzeugung (verglichen mit den Yamaha Synthis), flexibel und angenehm in der Bedienung, viele Klangeffekte. Die Supernova hat kaum Limits, also man kann hier Klänge wie von Moog, Roland, ARP erzeugen, aber auch ganz schräge Dinge.
EMO: Könnte man ein ganzes A-U-T-O-B-A-H-N Konzert ausschließlich mit einer solchen Maschine bestreiten?
Sauer: Klar, das könnte man. Aber warum sollte man, warum sollte ich das? Ich hatte mal, 1988/89 beim Projekt "Organisation 2" fast alles mit dem Yamaha FB01 Double Modul gemacht (Foto links). Den Roland D-50 und dem Casio D-100 hatte ich noch mit dabei und gesteuert hat das alles der Steinberg Pro 16 Sequencer über einen Commodore 64. Das waren noch Zeiten, oder besser gesagt: Das war eine andere Zeit. Heute hat jedes Gerät, jedes Modul, bei mir einen bestimmten Platz im Ablauf eines Konzertes. Das Umprogrammieren dauert mir wirklich zu lange und ich bin ja nicht drei Musiker, wie bei Tangerine Dream. Ich bin ganz alleine und da leiste ich mir den Luxus, diesen Sound von jenem Instrument an einer Stelle zu nutzen und jenen Klang von einem anderen Instrument oder Expander an der nächsten Stelle. Solange die Mischpulte genug Kanäle haben geht das.
EMO: Sie sind ja ehrlich zu ihren Fans, also ich meine, dass Sie ganz offen sagen, welche Instrumente Sie für was benutzen. Haben Sie keine Angst, dass irgendjemand mal - die finanziellen Mittel vorausgesetzt - sich die gleichen Geräte wie Sie anschafft und dann ebensolche oder bessere Elektromusik macht wie Sie?
Sauer: Angst, weshalb? Ich warte da schon seit Jahren darauf und nichts dergleichen passiert. Es gibt keine Nachfolger von TD, Jarre oder Schulze. Und selbst wenn. Ich respektiere andere kreative Leistungen und man kann immer etwas dazulernen oder gut finden, von dem, was andere machen. Vor kurzem habe ich Thomas Brück vom "Yoyager-Projekt" aus Köln kennen gelernt (siehe Foto links). Einzigartig und ganz anders als die Musik, die ich mache. Und das obwohl er inzwischen einen meiner ehemaligen Kurzweil Synthesizer spielt (Sauer lacht!). Oder Carola Kassner, eine der wenigen Frauen unter den deutschen Elektromusikmenschen: großartig. Wovor sollte man also Angst haben. Und die Transparenz halte ich schon für wichtig. Weshalb sollte ich schwindeln oder ein Geheimnis aus den Klangerzeugern machen, mit denen ich arbeite. Im Gegenteil. So nehmen immer wieder Leute mit mir Kontakt auf und fragen "Wo bekommt man dieses und jenes Ersatzteil her?" oder: "Wie funktioniert denn dies oder das?" - Wenn ich die Zeit dazu habe, helfe ich da gerne oder gebe Auskunft.
EMO: Verdirbt man da nicht jemandem einen Traum, wie ein bestimmter Klang zustande kommt?
Sauer: Das könnte sein, aber fast alle Fans, die ich kenne, sind technikbegeistert. Und wissbegierig. Die wollen am Liebsten alles ganz genau wissen oder in meinem Blog nachlesen.
[...to be continued...]
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