Nachruf auf Kristian Schutze


Völlig unerwartet verstarb am 22. November 2011 Kristian Schultze im Alter von nur 66 Jahren in seinem Heimatort Bad Tölz an einem Herzinfarkt.

Der Komponist, Arrangeur, Keyboarder und Musikproduzent verkaufte mit dem New-Age-Projekt „Cusco“ weltweit Millionen CDs, schrieb viele Film- und Fernsehmusiken und produzierte Alben für Heidelinde Weis (Deutscher Schallplattenpreis) und Stephan Sulke. Von 1973 bis 1978 war er Keyboarder in Klaus Doldingers legendärer Jazzformation „Passport“ - und seit 2006 als „Classic Passport“ wieder auf Tour.

Die Musik und die Weltoffenheit, die sein Leben auszeichneten, wurden Kristian Schultze schon in die Wiege gelegt. Als Sohn des Komponisten Norbert Schultze ("Lili Marleen") und der Sängerin und Schauspielerin Iwa Wanja 1945 in Frankfurt/Oder geboren, wuchs er in Hamburg, Rio de Janeiro und Berlin auf. Nach seinem klassischen Klavier- und Kompositions-Studium gelang dem damals 23-Jährigen der Durchbruch mit der Filmmusik zum Kult-Streifen „Zur Sache, Schätzchen“ mit Uschi Glas. Früh startete Kristian Schultze zudem als Jazzpianist und spezialisierte sich schon in den 70ern auf elektronische Musik. Damit war er genau der richtige Keyboarder für Klaus Doldingers Experimente im Spannungsfeld von Jazz und Rock. Von 1973 bis 1977 tourte der bekennende Jazzer mit „Passport“ um die Welt.

Eine weitere Konstante in Schultzes Leben war das 1979 gemeinsam mit seinem Freund Michael Holm gegründete Instrumentalprojekt „Cusco“. In den über 20 Konzeptalben mit Themen zu fremden Ländern und Kulturen kombinieren die Musiker phantasievolle Melodien, eindrucksvolle Panflöten und fesselnde Synthesizer zu einem hypnotischen Klangteppich. Drei Grammy-Nominierungen brachte das New-Age-Projekt den Musikern ein und ist mit mehreren Millionen verkaufter Alben vor allem auch in Japan und in den USA höchst erfolgreich.

Kristian Schultze gehörte wie Curt Cress zu „Snowball“, spielte in Gruppen wie „The Bridge“ und „Space Orbit Company“, arbeitete in den 80er Jahren mit Georgio Moroder an Soundtracks zu „Metropolis“ und „Scarface“ und komponierte erfolgreich für Film und Fernsehen. Aus seiner Feder stammen diverse Titel für Udo Lindenberg, Heidelinde Weis, Claudia Barry und Ronni Jones sowie diverse Filmmusiken wie zum Beispiel „Zur Sache, Schätzchen“, „Annas Mutter“ und viele Fernsehmusiken für ZDF, RTL und die ARD. Bis zuletzt stand er mit Klaus Doldinger als „Classic Passport“ auf der Bühne.

Ich durfte ihn als Ehrengast meines Elektromusikfestivals "WHITE WAVES 1987 - Frankfurter Synthesizertage" kennenlernen um ihm den Hauptpreis der Jury für seine musikalische Arbeit bis dato überreichen. Mit Kristian Schultze verliert die Musikwelt einen vielseitigen Künstler, der sein Handwerk wirklich verstand und noch so viel vor hatte.

(Faktenquelle: GEMA)

"Alle Augen auf Petar Dundov": "Ideas from the Pond" schafft die perfekte Symbiose zwischen Berliner Schule und Trance-Musik

Ich habe erlebt, wie 1979 "In The Regions Of Sunreturn" als Export-Scheibe nach Deutschland geholt wurde, habe geholfen, das Album von Michael Garrison (*1956, † 2004) populär zu machen und erlebt, wie es schließlich von der ARIOLA offiziell in Deutschland veröffentlicht wurde. Das war mein erstes persönliches Erlebnis, wie ein einzelner Mensch ein klein wenig am Rad der Historie drehen kann. Weitere Erlebnisse, u. a. mit OKAY!, Camouflage, Mysterious Arts und Mayday folgten.

Jetz habe ich die Ehre und das Vergnügen einen Mann pushen zu dürfen, der seit fünf Jahren in seinem "Neumatik"-Studio im kroatischen Zagreb an seinen Elektromusik-Instrumentalwerken bastelt: Peter Dundov. Seit 2006 wächst im "Neumatik Studio" des elektronischen Künstlers Werkraum. Dort bringt Dundov das Beste aus den Welten von analogen und digitalen Technologien zusammen. Die Kombination von frühen Synthesizern den 1970er und 1980er Jahren mit modernsten Digital Audio Workstations führen bei ihm dazu, dass es kaum noch ein Limit gibt, für das, was elektromusiklaisch möglich ist, um mit Klängen zu arbeiten. "Lass deiner Fantasie freien Lauf, den Rest erledige ich", sagt Dundov.

Aufmerksam wurde ich auf ihn im Herbst 2009, als mir ein Bekannter sagte, ich würde ihn doch immer fragen, welche Musik mener eigenen am nächsten kommen würde. Als ich in hoffnungsvoll ansah, empfahl er mir, ich solle mir das ein Jahr zuvor fertiggestellte Debütalbum von Petar anhören, das den hoffnungsvollen Titel "Escapements" trägt. Ich besorgte mir es in England und war begeistert. Songs wie "Kanon", "Desert Island", "Sparkling Stars" oder die "Oasis" fanden sofort ihren Platz ganz tief in meinem Herzen und sind dort bis heute geblieben. Es ist kaum zu sagen, was den Reiz dieser Songs ausmacht, wahrscheinlich ist es die Mischung aus so vielem, was ich in der Elektromusik liebe.

Bei den "Sparkling Stars" zum Beispiel addieren sich hämmernde Soundfetzen der "Exit"/"Hyperborea"-Ära von TD mit Klängen, die ich von Ash Ra kennen und lieben gelernt habe.Und bei der entspannt-pulsierenden "Oasis" klickert und tickert der Sequencer, dass es nur so eine Freude ist. Während viele Technomusiker ihr Heil in noch mehr Dancefloor, in noch mehr digitalen Tälern suchen, geht Dundov genau in den andere Richtung. Das gesamte Album verströmt von der ersten Sekunde an ein wohlig analoges, handgemachtes Flair. Dabei darf man dem kroatischen DJ durchaus eine gewisse Retro-Attitüde unterstellen, zählt er doch Jean Michel Jarre zu seinen Klangvorbildern.

Techno wurde in den letzten Jahrzehnten zu einem Massenphänomen und die traditionelle Elektromusik wurde dadurch etwas ins Abseits gedrängt. Doch was ist Techno? Die allgemeine musikalische Definition besagt, dass es Elektro-Pop, Tanzmusik des dgitaen Zeitalters ist, hämmernde und pochende 4/4tel Beats. Aber Techno kann auch so etwas wie eine Seele haben. Denn der "Geist in der Maschine" möchte ja auch leben. Um Dundov zu zitieren: "Techno ist eine Musik der Bewegung vorausgeht. Es ist Tanzmusik, solide genug, um Emotionen auf die Tanzfläche zu übertragen und abstrakt genug, um eine Vorlage für Gedankenflüge zu sein." Dundov, vor einigen Jahren noch für seine zumeist schranzigen Stücke bekannt, lebt diese Traditionen nun bewusst aus und gibt seiner Produzentenkarriere damit eine ganz neue Richtung hin zur "alten" Elektromusik der 70er- und 80er Jahre.

Bei ihm habe ich das Gefühl, dass seine Dancetracks am Leben zu sein scheinen, keine pure Ablenkungsmusik sind, wie es sonst dem Techno anhaftet. Sie sind Fortführung, Erweiterung und Steigerung der aus den 70er und 80er Jahren bekannten Intensität. So auch auf seinem neune Album "Ideas from The Pond" (wobei er schon auf dem Cover das Mittelmeer als seinen "Teich" definiert). Ein einziger Song aus "Escapements" hatte gereicht damit seine Musik als eine Art Crossover in eine Vielzahl von unterschiedlichen Bereichen der globalen Technoszene transportiert wurde. Es war die "Oasis", die jedermann in den Clubs auflegte. Und wer könnte schon der Intention von Größen wie Sven Väth, Francois K., Laurent Garnier, Adam Beyer, Josh Wink, Guy J., Glimpse, Hernan Cattaneo, Brendan Moeller oder Danny Tenaglia widersprechen.

Nun ist also "Ideas From The Pond" erschienen und das Album zeigt, dass es eine Philosophie in seinen Produktionen gibt, die die Dynamik des Techno vereint mit alten analogen Drumcomputern und Synthesizern. "Mein großes Ziel als Produzent und Musiker ist es, die Welt der Inspiration umit der physischen Welt des Tanzens und der Bewegung zu vereinen, dass der Hörer nicht mehr in der Lage ist, zwischen beiden zu unterscheiden", sagte er dazu.

Geboren in Zagreb zu Anfang der 70er Jahre, verändert Dundov im 21. Jahrhundert die Technomusik, macht sie lebendig und interessant. Petar Dundov macht auf "Ideas From The Pond" intelligente Elektromusik, die Grenzen verschiebt und dabei gleichzeitig Füße und Köpfe in den Clubs bewegt. Er ist ohne Zweifel eines der beeindruckendsten, originellsten und gewagtesten Produzenten in der Elektromusik und Jean Michel Jarre, der ewig Suchende, würde seine Freude an ihm haben. Ich habe Jean Michel auf jeden Fall einmal Dundovs E-Mail-Adresse zugesteckt...man kann ja nie wissen.

1. Ideas From The Pond (09:22)
2. Silent Visitor (08:00)
3. Distant Shores (12:27) = zugleich die aktuelle Singleauskopplung
4. Brownian Interplay (12:51)
5. Together (10:39)
6. Around One (09:40)
7. Tetra Float (14:41)

Erschienen am 30. März 2012 bei Music Man/rough trade!