"The SAUNDLAB Experience" - Fünf Alben in fünf Jahren! (Teil 1) von Rainer Sauer

Wie man vielleicht weiß, produzierte ich in den 1990er Jahren die fünf Alben der Elektromusikgruppe SAUNDLAB aus Frankfurt am Main für "F.B.B.R"/"Frankfurt Beats Back Records". SAUNDLAB war 1989 aus der zuvor lokal erfolgreichen Band OZ / ORGANISATION ZWEI hervorgegangen, die z. B. bei dem Frankfurter Synthesizertagen "White Waves 1988" im dortigen Südbahnhof aufgetreten war. Auch die beiden OZ-Alben "Automatique" (1987) und "Zero" (1988) hatte ich aufgenommen und produziert, zudem noch die in Frankfurt am Main erschienene OZ-EP "Edit" (1989) des "German Electro"-Labels.

In die Produktionszeit mit OZ sowie SAUNDLAB fiel auch meine Arbeit mit dem MAYDAY-Projekt der beiden Schwestern Sylka und Manuela May bei WESTSIDE Records, so dass die Aufnahmen für SAUNDLAB im Wesentlichen in drei Tonstudios stattfanden: 1990 und 1991 in meinem "Edge-Of-The-Hedge"-Studio in Frankfurt am Main und im "Dynaton"-Studio von Axel Henninger in Rodgau, 1992 bis 1994 dann durchgängig in der in Jena/Thüringen von mir neu errichteten "M.A.R.S.-Station".

Der musikalische Ansatz für SAUNDLAB kam von Ronald Rasor und Mike Drums, die zuvor bereits bei OZ / ORGANISATION ZWEI zusammengearbeitet hatten und sich für das neue Projekt einige weitere Musiker in ihr Klanglabor holten. Mit dabei waren u. a. Keayoarder Paul Henry Bowers (aus Heerenveen in Holland, Terry Moogler (aus Islington, einem Stadtteil von London) und Steve Dattel (aus Durban/Süd-Afrika) sowie meine Person, als jemand, der die Vocals und einige Instrumentaleffekte beisteuerte. Urspründlich sollten auch Sylka und Manuela May an SAUNDLAB mitarbeiten, jedoch zerschlug sich diese Idee schnell, da Manuela mit ihrem damaligen Freund, dem OKAY!-KeyboarderChristian Berg, zusammenarbeiten wollte und Manu aus dem Rhein-Main-Gebiet wegzog. So beschränkte sich deren Mitarbeit letztendlich auf einen einzigen Musiktitel: den "Wedding Song".

Die musikalischen Produktionen von SAUNDLAB begannen im Herbst 1989 direkt nach dem Zerbrechen der ORGANISATION ZWEI, wobei ich heute noch nicht enmal mehr weiß, weshalb dieses Bandprojekt wirklich in die Brüche ging. Jean Jacques Cornet, der Belgier, war wohl für Ronald und Mike ein stetiger Reibepunkt und mit der Arbeit des vierten OZ-Bandmitglieds Stefan Eisleben waren wohl beide nicht immer ganz zufrieden gewesen. Jedenfalls hatte ich die ORGANISATION fest für meine "White Waves 1989"-Veranstaltung gebucht und statt dessen eröffnete mir Ronald Anfang August 1989, dass OZ nicht mehr existiere und statt dessen "SOUNDLAB" auftreten würden, allerdings mit vielen Songs von OZ. Möglicherweise aus rechtlichen Beweggründen änderten Ronald und Mike später den Namen dann noch einmal. Zuerst in ZOUNDLAB und danach in den endgültigen Namen. Als repräsentative Sammlung aus der OZ-Zeit sei die Compilation "FM-Box" empfohlen mit allen Highlights von ORGANISATION ZWEI, angefangen bei den "Machines" über "Early Bird" und "Buran Buran" bis zu "The Race".

Direkt nach dem Auftritt bei den "White Waves" buchten Ronald und Mike mein Studio in Frankfurt-Fechenheim und brachten zu den ersten Aufnahmesessions gleich Henry, Terry und Steve mit (wobei ich hier noch einmal richtig stellen möchte und kann, dass, wie seinerzeit vielfach fälschlicher Weise berichtet worden war, Steve Dattel und Stefan Eisleben NICHT ein und dieselbe Person sind, sondern zwei ganz unterschiedliche Menschen).

Alle SAUNDLAB Alben hatten in der Produktion Codenamen, die sich Ronald den Himalaya-Gipfeln entliehen hatte. So hieß "On Presuming To Be Modern" im Arbeitstitel "Hidden Peak", "Saundtracks" hieß "K2", "Hyperion" war während der Produktionszeit "Nanga Parbat" benannt, das "Danceconcert" hieß "Lhotse" und "N.E.W.S:" hatte den Arbeitstitel "Everest". Sogar die Best-Of SAUNDLAB-Compilation "Labtop" hatte von Ronald einen Tarnnamen erhalten: "Makalu". Weshalb die späteren Titel der Alben geheim bleiben mussten, entzieht sich meiner Kenntnis.

Wie auch bei OZ arbeiteten Ronald und Mike mir dem von mir im Studio verwendeten STEINBERG Pro 16 Sequencersystem, wobei ich und Ronald lizensierte Original-Versionen hatten und Mike bei sich zuhause mit einer geknackten Version arbeitete; jedenfalls so viel ich weiß. Der Pro 16 Sequencer lief auf dem Commodore 64 recht stabeil, so dass ein Umstieg auf einen Atari ST-Computer nie ein wirkliches Thema war, was sicherlich auch an dem tollem MIDI-Mini-Interface von Kosta Kostis lag, das ich persönlich seinerzeit dem C-Lab-Interface stets vorgezogen habe.

Die Arbeiten an "Hidden Peak" gingen recht flott voran, wobei mir die Gesangsparts angeboten wurden (ich hatte ja einige Monate zuvor bereits dem OZ-Klassiker "Machines" meine Stimme geliehen), die zuerst sämtlich über Vocoder erfolgen sollten, dann aber bei "Mum'n'Dad" und "More" doch relativ ungefiltert Verwendung fanden. Die Hauptinstrumente bei "Hidden Peak" waren zwei Yamaha FB-01 FM-Expander, ein Yamaha DX-7, ein Roland D-50, ein Roland D-110 Sound-Expander, die KORG DDD-1 Drummachine, ein Simmons SDS-7 Drumset, eine Vox-Orgel, der AKAI Sampler S-700, der Dynacord Sampler ASD-K sowie der von Terry verwendete "Wind Midi Controler" WX von Yamaha, der gerade frisch auf den Markt gekommen war und mit dem er beim SAUNDLAB viele Solos einspielte. Als Vocoder diente ein Korg VC-10 und für die Phasing-Effekte benutzte ich den alten "Compact Phasing" von Ing. Schulte.

Man sucht ja im Soundbild des SAUNDLAB tatsächlich vergeblich analoge oder "warme" Synthesizersounds, aber das war damals tatsächlich so gewollt; KRAFTWERK hatten diesen Trend 1986 mit dem FM-lastigen "Electric Cafe" begonnen.

"Hidden Peak" aka "On Presuming To Be Modern" (der spätere Albumtitel wurde von Ronald bei Larry Fasts SYNERGY-Album "Cords" entlehnt) beginnt mit einer Verzerrung eines Drumsounds des Casio VL-1 im Titel "Casio-Tone". Danach spreche ich die erste Interlude, also ein szenisches Zwischenspiel, in Form eines kleinen Poems, das Ronald eines Abends erdichtet hatte.

Danach kommt mit "Mum'n'Dad" ein Titel, an dem wir knapp eine Woche gearbeitet haben. Er ist leicht gesellschaftskritisch, allerdings (auch gesanglich) nicht zu meiner vollen Zufriedenheit ausgefallen, da ich von dem Gedanken, dass SAUNDLAB eine Gesangsband werden oder sein sollte, nie wirklich überzeugt war. Ein weiterer Titel entstand während dieser ersten Woche im Studio: "Coco-Pop" - ähnlich problematisch aus einer Sicht und er hat es bis heute auch auf keines der SAUNDLAB-Alben geschafft. Interessant bei "Mum'n'Dad" ist, dass Terry mit dem Yamaha-Blaswandler die Piano-Solos spielte.

Terrys Yamaha-Blaswandler dominiert auch den Beginn des "Emotiional Song", der auf meine Interlude-Aufforderung "Just try this one" startet. Bis heute ist dies einer meiner Lieblingssongs von SAUNDLAB, auch wegen seiner Länge von mehr als zehn Minuten, die es zulässt, dass sich dieses Lied immer weiterentwickeln kann. So werden mehrere späteer SAUNDLAB-Themen angedeutet, wie etwa der "Dancefloor Tuna".

Dominant ist das Schlagzeugspiel von Mike Drums, der aus dem SDS-7 und dem DDD-1 das Beste herausholt und hier, inklusive der Tempowechsel, nahezu alles live eingespielt hat, synchron zum Steinberg MIDI-Sequencer, und das MIDI-Trompetenspiel Terrys, der sogar mexikanische Klänge mit einstreut. Aufgenommen wurde der "Emotional Song" in Axel Henningers "Dynaton"-Studio, was man dem Schlussteil des Songs ein wenig anhört.

[to be continued]

"HEAD-VISIONS" oder: "Der Weg ist das Vinyl!"

Er war steinig, er war hart, er war voller Mühsal: Der Weg Bernd Kistenmachers von der verrückten Idee hin zu 180 gr.-Vinyl. Sein Debutalbum von 1986 wollte der Berliner Musiker neu veröffentlichen ... nicht als CD oder zum Download sondern als knisternde, schwarze Scheibe. 

Doch war ihm klar, dass der Plattenkäufer von heute nicht der gleiche ist wie vor fünfundzwanzig Jahren. Während es damals gang und gäbe war, sich eine Schallplatte zuzulegen, wenn man Musik hören wollte (die Compact Cassette konnte sich nie wirklich durchsetzen, die CD stand gerade erst am Anfang ihres späteres Siegeszugen), sind es heute eher die Vinyl-Liebhaber und Sammler, die Wert auf echte Schallplatten legen.

Also konnte Kistenmacher nicht einfach seine Druckplatten von 1986 nehmen und mit ihnen eine Nachpressung durchführen (einmal abgesehen von dem, gegenüber dem 1986er Original, qualitativ schlechteren Ergebnis, das Nachpressungen eben mit sich bringen).

Kistenmachers Weg war ein anderer. Er nahm die alten Mehrspurbänder, besorgte sich eine alte Bandmaschine und mischte seine Platte im "State-Of-The-Sound" des Jahres 2012 neu ab. Er fand in MIRecords einen Partner, der ihm seinen Wunsch nach einer Neuveröffentlichung erfüllen konnte, in der DA den richtigen Vertrieb und mit PALLAS ein Vinyl-Presswerk, das mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung das Ergebnis der Neuveröffentlichung richtig gut werden ließ.

Hinzu kommt, dass es im 21. Jahrundert auch wesentlich bessere Schallplattenabtastgeräte gibt, als ein Vierteljahrundert zuvor. Ich mag zum Beispiel meine alten Platten am Liebsten auf meinem "Laser Turntable" der japanischen Firma ELP (s.i.c.) abspielen, jedenfalls, wenn ich sicher gehen will, dass sie nicht von Abtastnadeln unnötig zerkratzt werden. Es ist ein teures Gerät als Neukauf, aber gelegentlich werden auch Gebrauchtgeräte in gutem Zustand angeboten; meinen erwarb ich 2009 aus einem Nachlass.

Bei Vinyl-Scheiben, die ohnehin Kratzer haben, nehme ich natürlich noch den guten, alten Schallplattenspieler mit Saphirnadel. Aber die Tonqualität des ELP ist schon außergewöhnlich, denn er arbeitet um Grunde wie ein CD-Spieler, nur eben viel langsamer.

Seine Laserstrahlen schlendern sozusagen über die Rillen und meine ELP Lieblingsplatte derzeit ist "HEAD-VISIONS" von Bernd Ksitenmacher in der 2012er Vinyl-Reissue Edition.

Wer es mir nachmachen möchte, dem sei der MIRecords-Shop empfohlen, den man HIER findet.

"B-A-C-H Windows": Erinnerung an Jonathan "Douglas" Lord und sein musikalisches Vermächtnis


Ich mochte Jonathan "Douglas" Lord, nicht nur, weil er "Child In Time" so unverwechselbar machte. Nicht nur, weil er "Smoke On The Water" sah und zu Hard Rock werden ließ. Nicht nur, weil er als "Machine Head" eine Zeit lang den animalischen Ritchie Blackmore bändigte. Nicht nur, weil er als "internationale Größe" die Größe besaß, Mitte der 1970er Jahre mit einem Deutschen Komponisten - Eberhard Schoener - zu kooperieren. Nicht nur, weil er sich für seine Solo-Projekte einen Gitarristen namens Andy Summers an die Seite holte und ihn bei Eberhard Schoener mit Suart Copeland und Sting bekannt machte. Nicht nur, weil er Anni-Frid Lyngstad vom ABBA-Abseits zurück auf die Showbühne führte. Nicht nur, weil er mich lehrte, dass man mit den Akkorden "B-A-C-H" tatsächlich Musik machen kann. Nicht nur ... aber auch deshalb.

Heute ist er - schwer an Krebs erkrankt - aufgrund einer Lungenembolie gestorben. Auf seiner Webseite ist zu lesen: "Jon geht aus der Dunkelheit ins Licht." - Mach es gut Jon!

Jena, den 16. Juli 2012