Wie sich die Ereignisse gleichen: 1969 installierten Ralf Hütter und Florian Schneider-Esleben in Düsseldorf ihr "Kling-Klang"-Studio und starteten unter dem Namen "Kraftwerk" ein Musikprojekt, das bis heute innovativ-aktiv ist (...gerade eben spielten die aktuellen KRAFTWERK-Musiker acht ausverkaufte Konzerte in New York).
Als frühe Mitmusiker von KRAFTWERK, die sich Anfang der 1970er Jahre melodisch-atmosphärischer elektronisch orientierter Instrumentalmusik verschrieben hatten, konnten sich der Schlagzeuger Klaus Dinger und der Gitarrist Michael Rother einen Namen machen, die später als "NEU!" aktiv waren oder mit Soloprojekten ("Flammende Herzen") bzw. der Band "La Düsseldorf".
1973 wurde aus der Vierer-Gruppe KRAFTWERK ein Duo ("Ralf & Florian"), danach wieder ein Quartett, nochmals ein Duo und inzwischen wieder ein Quartett. Innovativ wurde KRAFTWERK nicht nur aufgrund ihrer musikalischen Innovationen sondern auch durch die intelligent gestylten Plattencover.
Genau drei Jahrzehnte später installierte Stephan Otten (Foto rechts während der SANKT OTTEN Tour 2012) in Osnabrück ein Tonstudio und verschrieb sich ebenfalls der melodisch-atmosphärischen elektronischen Instrumentalmusik. Als ST. OTTEN traten er und seine Mitmusiker auf (als Abkürzung für "Stephan Otten") und daraus wurde der Bandname SANKT OTTEN. Inzwischen ist aus SANKT OTTEN wieder ein Duo geworden, bestehend aus Gitarrist Oliver Klemm (siehe Foto rechts während der SANKT OTTEN Tour 2012) und Mastermind Stephan Otten.
Einige Alben erschienen seither, alle mit intelligent-gestylten Covern (das aktuelle belegte 2012 Platz 2 beim "Album Of The Year" der Radiosendung "Sounds vom Synthesizer") und das Duo war gerade auf Tour durch Deutschland. Vierzig Jahre zuvor hatten das KRAFTWERK ebenso vorgemacht. Alles nur ein Zufall oder clevere Berechnung? - Die Wahrheit liegt wie immer dazwischen.
Vergleichen kann man die Musik, die SANKT OTTEN 2012 machen nicht unbedingt mit der vom KRAFTWERK des Jahres 1972. Das Schlagzeug ist heute elektronisch, die Synthesizerklänge kommen hauptsächlich aus sogenannten "Digital Audio Workstations" (sprich: Computern) und auch die Gitarre wird nicht mehr ganz standesgemäß nur mit Plektrum oder den Fingern gespielt: bei Oliver Klemm kommt ein E-Bow zum Einsatz, eine Art Magnet, der die Gitarrensaite zum dauerhaften Schwingen bringt, so dass das Klangergebnis ein wenig an Robert Fripp erinnert.
Und die große Zeit des Impovisierens, der sich auch KRAFTWERK zu Anfang verschrieben hatten, ist zudem schon lange Historie. Aber auch heute noch kann man innovativ instrumentale Elektromusik machen - das zumindest beweist SANKT OTTEN, deren neues Album "Sequencer Liebe" im Mai erscheinen wird. Besonderen Humor lässt bei SANKT OTTEN reglmäßig die Betitelung der einzelnen Songs erkennen und auch diese Mal ist das so. Neben dem Titelsong sind noch sieben andere Instrumentalstücke auf dem neuen Album, darunter "Hungrig kann man nicht tanzen", "Die Stadt riecht nach Dir" und "Ende Gelände", wobei "Kann denn Liebe Synthie sein?" fast schon an die poetischen Zeiten eines Dirk Matten erinnert (der einst lustig-flockig die monatlichen Annoncen seines Synthesizerstudios Bonn betitelte) und "Mir bricht die Stimme weg" schon reichlich surreal für ein Instrumentalstück anmutet
Aber das war ja schon beim letzten Album "Gottes Synthesizer" so gewesen (dessen Cover, ebenso wie nun bei "Sequencer Liebe", auch schon vom spanischen Ausnahme-Künstler Salustiano gestaltet wurde). Da hießen die Songtitel zum Beispiel "480 Pixel, die ich an Dir liebe", "Diesseits vom Jenseits", "Fast neu ist auch gebraucht" oder "Sternstunden der Resignation". - Doch welche Art von Elektromusik machen SANKT OTTEN?
Es ist in ersten Linie so etwas Ähnliches wie das, was man in den 1980er Jahren "Synthi-Pop" genannt hätte. Typisch für die SO-Musik sind lange, instrumentale Stücke, die mit Klangkollagen versetzt sind. Ein oberflächlicher Hörer wird möglicherweise kaum Veränderungen in der SANKT OTTEN Musik der letzten fünf Jahre erkennen. Aber was sagt das schon aus? Ein A&R-Manager würde wahrscheinlich genau das loben und sagen, die Band habe ihren ureigenen Stil gefunden.
Es gibt viel Electronic Drums zu hören, aber auch das ist bei SANKT OTTEN nichts wirlich Neues (...der gute, alte weiße Latzhosenträger und E-Drum-Hasser Klaus Dinger kann es ja nun nicht mehr richten, seit er vor reichlich drei Jahren seine "Silver Cloud" im Musikhimmel bezogen hat).Aber auch die E-Drum-Kiste stimmt und stimmt wieder nicht bei diesem Album.
Der Titelsong und Opener hat nun überhaupt keine Simmons Drums und bezieht seinen Rhythmus allein aus der Interaktion zwischen Sequencermoves, Synthiflächen und E-Bow-Gitarre. Der gemeigte Kenner der OTTEN-Musik wartet also sehnsüchtig auf den zweiten Song "Gestern fand ich alle Tränen" und da sie dann auch schon: die brachialen Beats, geboren aus der Gummi-Fläche. Viel Portamento hat man hier eingebaut und erzeugt so eine Art synthetisches Wimmern und Weinen, zu dem gegen Ende des Songs Mellotronflächen stoßen.
Und diese Abwechslung in der Songstruktur setzt sich fort. Bei "Hungrig kann man nicht tanzen" sieht man förmlich Chris Franke an seinem Modularsystem sitzen und mit polyrhythmischen Sequenzen spielen, als hätte der "Polish Dance" seinen lang verschollenen Bruder gefunden. Darüber wirbelt ab dem letzten Drittel des Songs ein ARP Odyssey Solo und schickt den Hörer in die gute alte Berliner Schule.
Wer aber denkt, damit sei das Sound- udn Rhythmusspektrum des Albums ausgelotet, wird beim vierten Titel eines Besseren belehrt. Hier hört man leibhaftig "Ol' King" Fripp seine Gitarre spielen (...natürlich ist es Oliver Klemm mit seinem E-Bow und seiner Armada an Effektgeräten, aber die Illusion ist da). Schwere Klangwolken verschieben sich hier gegeneinander und erzeugen ein weites Feld sphärischer Eindrücke.
Wem das zu düster ist, der findet in "Kann denn Liebe Synthi sein" eine fröhlichere Variante des Ganzen, nun wieder ergänzt um die E-Drums. Zweistimmig spielt Klemm hier zu Sphärenklängen á la Eroc oder YOU/Harald Großkopf. Gefolgt wird der Song durch ein etwas experimentelleres Werk mit vielen Klangelementen, die junge Leute heutzutage unbedacht als "Vintage" bezeichnen würden, die die älteren Semester seinerzeit aber noch selbst analog erzeugt haben, doch seit Jahren schmerzlich vermissten.
Mit "Ende Gelände" endet ein äußerst abwechslungsreiches Album der im Moment aufregendsten Elektromusikband Deutschlands. Die war, wie oben schon beschreiben, gerade auf Frühjahrs-Tour durch Deutschland, vierzig Jahre nach KRAFTWERK, und begeisterte ihr Publikum.
Aber was ist es denn nun, was SANKT OTTEN machen? Ganz einfach: Elektromusik. Elektromusik für die Fans von KRAFTWERK, Steve Moore, ZOMBI, MAYEURE, YOU, TD und...und...und. Vor allem aber für die Fans und Freunde der Sounds vom Synthesizer und - natürlich - der Sequencer.
Videos, wie das Ganze live klingt, kann man sich HIER anschauen!
Es ist in ersten Linie so etwas Ähnliches wie das, was man in den 1980er Jahren "Synthi-Pop" genannt hätte. Typisch für die SO-Musik sind lange, instrumentale Stücke, die mit Klangkollagen versetzt sind. Ein oberflächlicher Hörer wird möglicherweise kaum Veränderungen in der SANKT OTTEN Musik der letzten fünf Jahre erkennen. Aber was sagt das schon aus? Ein A&R-Manager würde wahrscheinlich genau das loben und sagen, die Band habe ihren ureigenen Stil gefunden.
Es gibt viel Electronic Drums zu hören, aber auch das ist bei SANKT OTTEN nichts wirlich Neues (...der gute, alte weiße Latzhosenträger und E-Drum-Hasser Klaus Dinger kann es ja nun nicht mehr richten, seit er vor reichlich drei Jahren seine "Silver Cloud" im Musikhimmel bezogen hat).Aber auch die E-Drum-Kiste stimmt und stimmt wieder nicht bei diesem Album.
Der Titelsong und Opener hat nun überhaupt keine Simmons Drums und bezieht seinen Rhythmus allein aus der Interaktion zwischen Sequencermoves, Synthiflächen und E-Bow-Gitarre. Der gemeigte Kenner der OTTEN-Musik wartet also sehnsüchtig auf den zweiten Song "Gestern fand ich alle Tränen" und da sie dann auch schon: die brachialen Beats, geboren aus der Gummi-Fläche. Viel Portamento hat man hier eingebaut und erzeugt so eine Art synthetisches Wimmern und Weinen, zu dem gegen Ende des Songs Mellotronflächen stoßen.
Und diese Abwechslung in der Songstruktur setzt sich fort. Bei "Hungrig kann man nicht tanzen" sieht man förmlich Chris Franke an seinem Modularsystem sitzen und mit polyrhythmischen Sequenzen spielen, als hätte der "Polish Dance" seinen lang verschollenen Bruder gefunden. Darüber wirbelt ab dem letzten Drittel des Songs ein ARP Odyssey Solo und schickt den Hörer in die gute alte Berliner Schule.
Wer aber denkt, damit sei das Sound- udn Rhythmusspektrum des Albums ausgelotet, wird beim vierten Titel eines Besseren belehrt. Hier hört man leibhaftig "Ol' King" Fripp seine Gitarre spielen (...natürlich ist es Oliver Klemm mit seinem E-Bow und seiner Armada an Effektgeräten, aber die Illusion ist da). Schwere Klangwolken verschieben sich hier gegeneinander und erzeugen ein weites Feld sphärischer Eindrücke.
Wem das zu düster ist, der findet in "Kann denn Liebe Synthi sein" eine fröhlichere Variante des Ganzen, nun wieder ergänzt um die E-Drums. Zweistimmig spielt Klemm hier zu Sphärenklängen á la Eroc oder YOU/Harald Großkopf. Gefolgt wird der Song durch ein etwas experimentelleres Werk mit vielen Klangelementen, die junge Leute heutzutage unbedacht als "Vintage" bezeichnen würden, die die älteren Semester seinerzeit aber noch selbst analog erzeugt haben, doch seit Jahren schmerzlich vermissten.
Mit "Ende Gelände" endet ein äußerst abwechslungsreiches Album der im Moment aufregendsten Elektromusikband Deutschlands. Die war, wie oben schon beschreiben, gerade auf Frühjahrs-Tour durch Deutschland, vierzig Jahre nach KRAFTWERK, und begeisterte ihr Publikum.
Aber was ist es denn nun, was SANKT OTTEN machen? Ganz einfach: Elektromusik. Elektromusik für die Fans von KRAFTWERK, Steve Moore, ZOMBI, MAYEURE, YOU, TD und...und...und. Vor allem aber für die Fans und Freunde der Sounds vom Synthesizer und - natürlich - der Sequencer.
Videos, wie das Ganze live klingt, kann man sich HIER anschauen!
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