RAINER SAUER INTERVIEW VOM NOVEMBER 2012


(lsn) - Elektromusik ist nicht gleich Elektromusik und einen Synthesizer zum Klingen zu bringen reicht heute nicht mehr aus, um Fans der Elektromusik zum Kauf von Tonträgern oder zum Download von Alben zu bewegen. Das weiß auch Rainer Sauer, seit mehr als zwanzig Jahren in der Lichtstadt zuhause, früher im Westen Deutschlands erfolgreicher Elektronik-Rock Musiker mit seiner Band VELVET UNIVERSE und ein bekannter Radiomoderator, heute deutschlandweit einer der renomiertesten Künstler in seinem Genre.

Das mit dem Radio hat er nach Jena exportiert, ist nach wie vor im Trägerverein des Offenen Hörfunkkanals Jena (dessen stellvertretender Vorsitzender er lange Jahre war) und wurde schon 2001 mit dem TLM Hörfunkpreis für die beste Radiosendung Thüringens ausgezeichnet.

Ab und an macht er auch heute noch "Musik aus den ewigen Schaltkreisen", wie er sie nennt, entwickelt mit andern Musikern elektronische Klänge am von ihm geründeten "Oskar Sala Institut für Klangforschung", produziert nach wie vor Künstler (1985 entdeckte Rainer Sauer die Band CAMOUFLAGE) oder bastelt an neuen Vermarktungskonzepten. 54 Jahre ist der studierte Diplom-Verwaltungswirt alt und macht bereits seit 38 Jahren Musik in der bundesdeutschen Elektromusik- Szene und die ist nicht irgendeine, sondern hat weltweit immer noch Einfluss und Reputation.

Aber wie schafft man es, die neuen Fans ebenso wie die treuen, mit KRAFTWERK und TANGERINE DREAM erwachsen gewordenen Kenner und Sammler gleichermaßen zufriedenzustellen, und am Ende auf einem in alle Richtungen expandierenden Markt auch noch Profit zu erwirtschaften? Barbara Nowak sprach mit Rainer Sauer über seine Musik, seine Kontakte, seine Pläne und Wünsche.


BN: Vorletztes Jahr haben Sie Musik produziert, letztes Jahr bei "Switched-On-Kabarett" Synthesizermusik und literarisches Kabarett miteinander verschmolzen, dieses Jahr ist es Ambient Music, was Sie machen. Viele Experten sagen, so etwas funktioniere nicht, man müsse sich Erfolg mit einem Langzeitkonzept erarbeiten.

RS: Zeigen Sie irgendwo auf der Welt ein Bild von einem Synthesizer, einem Keyboard herum und schnell wird jemand sagen: Ich weiß, was das ist. Aber das beschreibt ja nicht die hundert verschiedenen Stilrichtungen, die es in der Elektromusik gibt. Also muss man herausfinden, was funktioniert und was nicht. Seit ich finanziell unabhängig bin, probiere ich die unterschiedlichsten Dinge aus.

BN: Jetzt ist es "Ambient Music", eine Stilrichtung, die Brian Eno erfunden hat, Anfang der 1970er Jahre, zu einer Zeit, als Sie anfingen eigene Musik zu machen.

RS: Ja, aber ich war damals zu jung und hatte das Geld nicht, um mir eigene Synthesizer zu kaufen. Damals war es mein Ziel, mit Synthesizermusik Geld zu verdienen und unabhängig zu werden. In dieser Zeit wäre die "Ambient Music" daher nichts für mich gewesen, was ich mit Leidenschaft gemacht hätte. Heute ist es aber genau das geworden, heute habe ich zudem die Kontakte, z. B. mit Musikern aus England zusammenzuarbeiten. Und es gibt jeden Tag immer phantastischere Musikinstrumente für meine Musik.

BN: Wie das iPad, das Sie jetzt des öfteren für ihre Musik benutzen?

RS: Das ist eines dieser Musikinstrumente. Das iPad ist in der Tat, genauso wie das iPhone, ein hervorragendes Musikinstrument, mit dem man viel machen kann. Aber nur dann, wenn man als Nutzer weiß, was man damit machen will und wie man es machen muss und die Grundprinzipien der Klangerzeugung kennt. Nicht jeder, der sich ein iPad kauft und die nötige Software, ist dadurch auch gleich ein Künstler (siehe hierzu auch das Video oben!).

BN: Was macht Ihrer Meinung nach einen Künstler aus?

RS: Auch bei der Elektromusik kommt "Kunst" von "Können", wie es ja allgemein in der Msik der Fall ist. Nehmen sie einmal ein Klavier. Wenn Sie oder ich uns daran setzen und versuchen etwas zu pielen, dann ist das tatsächlich ein Spiel. Wenn es dagegen jemand wie etwa Daniil Trifonov macht, dann kommt dabei Kunst heraus. Ein Gerät auspacken, ein paar Tasten drücken, Krach zu erzeugen oder Schönklang, ist einfach. Aber schnell kommt man an die Grenzen und fragt sich "Was will ich damit machen?" und dann legt man so ein Gerät wieder weg und das war's dann gewesen. Die Künstler, die ich kenne und die mir etwas bedeuten sind oder waren lange im Geschäft, haben Dinge erfunden, herausgefunden oder entwickelt und vor allem viel Zeit in ihre Kunst, in die Musik gesteckt. Ich halte es da mit Conny Plank, der einmal sagte, mehr als die Hälfte von dem, was er im Studio mache, sei verlorene Zeit, sei Mist, den er später wegwerfe. Aber oftmals entsteht die Schönheit eines Klangbildes genau aus dieser Zeitverschwendung. Auch bei mir ist das Inspiration, eine Art Meditationsprozess. Ich will nicht ein Stück Musik machen, so wie man ein Lied schreibt. Bei mir dauert das.

BN: Sie veröffentlichen und spielen nicht oft heutzutage.

RS: Das brauche ich auch nicht, denn ich habe einen Hauptberuf, der mich sehr ausfüllt, und die wenige Zeit, die ich für's Musikmachen habe, gekoppelt mit meinem Zeitanspruch daran, führt zu diesen relativ langen Zeitabständen, in denen ich spiele oder Musik publiziere.

BN: Und was ist mit Ihren Kontakten zu anderen Musikern? Finden die auch nur sporadisch statt?

RS: Das Pflegen von Kontakten hat zum Glück kein Zeitlimit. Und da ich immer wieder anspruchsvolle Radioprojekte realisiere oder realisieren helfe, unterliegen die Kontakte regelmäßiger Auffrischung.

BN: Was machen Sie derzeit?

RS: Im Moment arbeite ich sowohl für mich selbst als auch für das Radio. Für mich selbst entsteht eine Album-Trilogie mit Veröffentlichungen in den nächsten drei Jahren und für ZONO Radio Jena arbeite an einer vierstündigen Radiosendung über Conny Plank, einen der innovativsten Musikproduzenten, den Deutschland je hatte. Er ist verantwortlich, dass es das Genre des "Krautrock" gibt und produzierte von Kraftwerk über Brian Eno, Ultravox oder die Eurythmics viele andere Künstler und Bands. Vor genau 25 Jahren ist er gestorben und ich bin derzeit mit seinem Sohn daran, sein Leben und sein Werk ein Stück weg aufzuarbeiten. Ende Dezember 2012 gibt es die Radiosendung dazu.



BN: Dieser Tage ist ein neuer Synthesizer auf dem Markt erschienen, der "RayBlaster" und an dem haben sie mitgewirkt mit Ihrem "Institut für Klangforschung" in Jena. Wie muss man sich so eine Mitarbeit vorstellen und wo findet man dieses Institut?

RS: Zuerst einmal ist das "Oskar Sala Institut für Klangforschung", so ist der volle Name, keine große Sache, also keine Landeseinrichtung oder so etwas ähnliches...

BN: ...wie einem der Name suggerieren könnte...

RS: ...ganz genau. Es steht unter meiner privaten Leitung und ist Lehr- oder Forschungseinrichtung im kulturell-wissenschaftlichen Sinn. Die am Institut beteiligten Personen entwickeln im privaten Auftrag oder für Firmen entweder elektronisch erzeugte Klänge oder betreiben, die der Name schon sagt, Klangforschung. So gibt es zum Beispiel eine Zusammenarbeit mit der Firma "Tone2" von Bastiaan Noord und Markus Krause. Mit Bastiaan, der in den Niederlanden lebt, habe ich regelmäßigen Kontakt, seit dem er den "Saurus"-Synthesizer herausgebracht hat und Markus, der bei Rosenheim lebt, ist als Dipl. Inf. Univ. einer der intelligentesten Musiksoftware-Designer, die man sich denken kann. Mit dem "RayBlaster" ist ihm nun der "große Wurf" gelungen, so will ich es jetzt einmal nennen: ein völlig neuartiges elektronisches Musikinstrument mit völlig unerwarteten Klangeigenschaften und -möglichkeiten. Das wird auf der Musikmesse 2013 sicher noch für Furore sorgen.

BN: Und was war Ihr Anteil daran?

RS: Wir haben am Sounddesign mitgearbeitet. Einige Sounds aus dem Jenaer Institut werden mit der Werksfassung des Synthesizers ausgeliefert, andere kommen im Laufe des nächsten Jahres in den Vertrieb (siehe Video oben).

BN: Wo findet man das "Oskar Sala Institut"?

RS: Vor einigen Jahren hatten meine Frau und ich die Möglichkeit zu unserem Grundstück am Saalbahnhof in Jena weitere Gebäude anzukaufen. In denen ist mittlerweile das Institut untergebracht und ZONO Radio Jena mit seinen Studios angesiedelt.

BN: Kurze Zwischenfrage: Kann man vom Musikmachen leben?

RS: Das hängt von den Ansprüchen ab, die man an das Leben hat. Ich kenne wenige Leute, die mit Musikmachen sich selbst und ihre Familie ernähren können. Und wenn, dann geht das auf Kosten der Lebensqualität, d. h. sie sind viel unterwegs. Man hat mir einmal eine Regel beigebracht, die heißt: "Ein Top-10 Hit ist kein Garant dafür, von Musik leben zu können!". Ich sage das auch ganz klar in Richtung von Leuten, die noch nicht einmal diesen Top-10 Hit gehabt haben.

BN: Also in Richtung von Menschen, die davon träumen, in Castingshows ihr Glück zu machen.

RS: Auch. Ich finde überhaupt Ihre Formulierung "ihr Glück" sehr zutreffend. Man kann mir da gerne widersprechen, aber ich behaupte einmal, dass so gut wie niemand, der bisher eine Castingshow im deutschen Fernsehen gewonnen hat, sein Glück gemacht hat. Die von Stefan Raab betreuten Künstler einmal ausgenommen. Aber ich meine hier die Gewinner. Für die dahinter platzierten interessiert sich schon nach Wochen sowieso kein Mensch mehr.

BN: Sie hatten ja auch einmal eine Nachwuchsförderung beim Hessischen Rundfunk, haben 1985 so die Band CAMOUFLAGE entdeckt. Was hat sich seither verändert?

RS: Man kann die 80er Jahre nicht mit heute vergleichen. Damals wurde noch Musik gemacht mit Kopf und Hand und Herz, ohne Softwareunterstützung, ohne virales Marketing, ohne die Möglicheiten des Internets. Ich habe ja in dieser Zeit selbst meine größten Erfolge feiern dürfen, Damals gab es noch Plattenfirmen, die Leute zur Pflege von "Artist & Repertoire" beschäftigten. Damals wurden Künstler und Musikgruppen noch über Jahre hinweg aufgebaut. Aber mit dem Rückgang der Tonträgerverkäufe ist dies alles aufgegeben worden. Heute kann ein Hype im Internet über Wohl und Wehe eines Künstlers entscheiden. Wie in der Filmbranche auch, muss sich ein Produkt gut verkaufen, bevor man von den gleichen Künstlern ein neues anbietet. Wer gut ist, aber kantig oder fragil, wird fallen gelassen, selbst wenn man mit einem immensen Werbeaufwand versucht hatte ihn aufzubauen. Wie Henry Francois Funke, den ich 2010 in Leipzig kennenlernen durfte und der alle Chancen hatte, eine großartige Karriere hinzulegen, aber an der Nicht-Akzeptanz seines Konzeptes scheiterte. Zu unrecht, denn man hätte ihn weiter puschen müssen und er wäre inzwischen sicherlich ein großer Star. Ich liebe sein Album und seine Musik - das muss ich ganz klar zugeben.

BN: Von Ihnen gibt es inzwischen die Ankündigung von vier neuen Alben in den nächsten Jahren. Weshalb so zeitig und so in die Zukunft gerichtet?

RS: Die Musik ist fast fertig, kann sich aber bis zur endgültigen veröffentlichung immer noch verändern. "Moods", "Leaves" und "Cats" ist eine Trilogie, die aufeinander aufbaut und "Stardust" die Wiederentdeckung alter Kompositionen von mir aus den Jahren 1975 bis 1979, während die Titel der sog. "S"-Trilogie alle auf neuerer Zeit stammen. "Stardust" hat also etwas mit dem Staub zu tun, der sich auf den alten Sachen gebildet hat und bald wird der Äther erkundet, erforscht, ich es im Untertitel ausdrücke. Aber in der Astronomie weiß man, dass ein immer tieferer Blick ins Universum immer frühere Entwicklungen und Konstellationen aufzeigt. Für so etwas braucht man Zeit zur Veröffentlichung und als Hörer für das Kennenlernen von Musik - so will ich es einmal nennen. Und man braucht eine Käufergemeinde, die solche Dinge zu schätzen weiß. Deshalb gibt es 2013 bis 2015 jedes Jahr ein Album der "S"-Trilogie und Ende 2015 dann noch den Sternenstaub gratis dazu, für die Käufer, die alle Alben der "S"-Trilogie besitzen.

BN: Haben Brian Enos Ideen Ihnen irgendwie geholfen bei der Arbeit an den neuen Alben?

RS: Es ist Jahre her, seit ich sein fantastisches Buch "A Year With Swollen Appendices" (links rot eingekreist in Sauers Arbeitszimmer) zum ersten Mal las, aber ich kann auch heute noch aus ihm schöpfen, um mir philosophische Gedanken um Musik und Kunst zu machen. Es wirft nicht nur Licht auf Brian Enos musikalische Evolution, sondern gibt einem auch Auskunft über klangtechnisch wichtige Dinge. Interessanterweise gibt es ja in seiner und in meiner Biografie die eine oder andere Parallele. Er berichtet, dass ihn Steve Reichs bahnbrechendes Tonbandmusikstück "It 's Gonna Rain" von 1965 sehr beeinflusst hat und bei mir war es Steve Reichs Stück "Six Pianos" von 1973, das im Übrigen auch Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, dessen Webseite ich heute betreibe, einst zur "Minimal Musik" geführt hatte.

BN: Was macht "Minimal Musik" aus?
 
RS: In der "Minimal Musik" findet man Einflüsse aus indo-asiatischer und afrikanischer Musik. Sie ist polyrhythmisch und ignoriert, wie ja auch in Teilen der Jazz-Musik, weitgehend die Konventionen des Komponierens, wie sie sich in Europa und Amerika in den letzten Jahrhunderten etabliert haben. Ob sie auf die serielle Musik des 20. Jahrhunderts eingeht, in Form einer Weiterentwicklung, vermag ich als nicht-studierter Musiker nicht zu sagen. Auf jeden Fall ist die "Minimal Musik" noch immer ein Teil der modernen ernsten Musik.

BN: Wie hat "Six Pianos" Sie beeinflusst?

RS: Es war einer der wichtigsten Teile meiner Musikentwicklung. Die ganze Idee der Polyrhythmic bei meiner Arbeit mit Synthesizer-Sequenzern kam aus diesem Stück. Ob man die Phrasen, wie bei Steve Reich, von versierten Musikern auf sechs Pianos spielen lässt oder von einer elektronischen Maschine macht dabei keinen Unterschied. Wichtig ist: der Akt des Zuhörens ist gleichzeitig auch der Akt des Komponierens. Wenn man sich die ebenso simplen wie in ihrer Auswirkung komplizierten Verlagerungen von Ton- und Klangmustern in "Six Pianos" anhört, dann lernt man, dass Veränderungen in der Musik auch fließend sein können und nicht abrupt. Diese Erkenntnis hat mich 1974,als ich das Stück zum ersten Mal hörte, sehr beeindruckt. Auch, dass man als Komponist durchaus, wie in diesem Fall, sechs Leute ihre Arbeit machen lassen kann und dann alles an einem Mischpult ineinander und wieder auseinander mischt. Wie unterschiedlich ist doch diese Komponisten-Rolle von der alten romantischen Idee, dass der Komponist eine Partitur schreibt und ein Orchester oder Band sie dann umsetzt. Oft genieße ich diese passive Seite des Komponierens und lasse die Dinge einfach auf mich zukommen. Für mein neues Album "Moods" habe ich Reichs Idee in die Neuzeit verschoben und das Stück "Six iPhones" aufgenommen.

BN: Wie kann muss man sich dieses Stück vorstellen? Klingeln da unentwegt Telefone?

RS: (lacht) Natürlich nicht. Als vollwertiges Musikinstrument kann das iPhone ja mehr als nur zu klingeln. Ich habe hierbei ein Synthesizerprogramm genommen und polyrhythmische Sequenzen programmiert und die auf sechs iPhones gleichzeitig laufen lassen. Aufgenommen habe ich das dann auf meinem digitalen Tascam 8-Spur Rekorder und am Ende im Studio gegeneinander abgemischt, wie bei "Six Pianos". Es sind zwar nur wenige iPhones, aber es klingt nun nach viel mehr. Brian Eno sagte ja auch, dass es nicht die Anzahl der Musikinstrumente ist, die einen Gesamtklang ausmachen, sondern das, was im Kopf des Zuhörer passiert. Alleine im Kopf der Zuhörers entsteht die Klanglandschaft, der Klangeindruck.  

BN: Wann wird "Moods" erscheinen?

RS: Es ist vorgesehen, dass das Album kurz nach der Sommerpause erscheint, als erstes der "S"-Trilogie.

 
BN: Und weshalb nahmen sie hierfür sechs iPhones und nicht sechs "große" Synthesizer?

RS: Das ist wirklich eine gute Frage und ich kann da nur sagen: ich entscheide dies aus dem Bauch heraus, also mit Gefühl. Durch meine 4-KLANG Konzerte, mit vier mehr oder weniger unterschiedlichen Elektromusikteilen, bin ich ja ohnehin gezwungen, oft Entscheidungen zu treffen. Aber in meiner Musik gibt es die "großen" Synthesizer ebenso wie die kleinen. Alles hat seine Berechtigung auf seine Weise. Für Musikinstallationen z. B. nehme ich wiederum ganz andere Geräte als bei Konzerten. Im Sommer gibt es ja die "2013 ODYSSEE - 4-Klang Installationen" und da lasse ich verschiedene Klangerzeuger aktive Musik und Klänge erfinden.


BN: Wie und an was entscheiden Sie, welche Geräte Sie für Ihre Musik einsetzen?

RS: Im Grunde entscheidet sich die Verwendung einzelner Instrumente und Klangerzeuger an der Notwendigkeit des Anlasses. Es kann auch schon mal sein, dass ich ganz alte Geräte wieder reaktiviere um einfach nur einmal zu zeigen, dass es auch vor vierzig Jahren schon tolle Elektromusikinstrumente gab.


BN: Auf dem neuen Album "Moods" gibt es einen Titel, da haben Sie einen Kunstkopf eingesetzt um ein räumliches Klangerlebnis zu erzeugen. Wie geht das und, vor allem: Was bringt das dem Zuhörer?

RS: Die Kunstkopf-Aufnahmetechnik kam Anfang der 1970er-Jahre in Mode. Ich glaube das erste Kunstkopf-Hörspiel hieß "Demolition" nach einem Roman von Alfred Bester und ich habe das damals mit Begeisterung im Radio gehört. Musikgruppen wie Can haben in den 70er-Jahren Schallplatten in Kunstkopftechnik aufgenommen oder Musiker wie Kevin Godley und Lol Creme. Der Kunstkopf erzeugt ein natürliches Hörerlebnis, also nicht nur Links und Rechts kann man unterscheiden sondern auch Vorne und Hinten sowie Oben und Unten. Eben wie es ein Mensch mit seinen Ohren im Alltag auch erleben würde. Für den Titel "Wide Angel And Zoom", dessen einzelne Elemente auch Bestandteile des "ODYSSEE"-Projektes sind, habe ich acht omnidirektionale Raumklang-Lautsprecherboxen rund um einen Kunstkopf montiert und die einzelnen Geräusche so eingespielt, wie man sie auch in etwa räumlich hören würde, wenn man zu einer "ODYSSEE"-Klanginstallation gehen würde.

BN: Sind das Spezialanfertigungen?

RS: Den Kunstkopf habe ich mir in Großbritannien bauen lassen und die Boxen habe ich über Jahre hinweg nach und nach erworben auf Flohmärkten, von HiFi-Studios oder über eBay.

BN: Wenn Sie einmal in die Glaskugel schauen, was wollen Sie dann in Zukunft noch musikalisch machen? Was sind die langfristigen Ziele?

RS: Ich bin jetzt Mitte 50, habe also in etwa noch zwei, drei Jahrzehnte vor mir - jedenfalls soweit man das als Mensch beeinflussen kann. Langfristige Ziele gibt es keine oder, um es mit Franz Beckenbauer zu sagen, "Schaun wir mal, was kommt". Das ist doch spannend, wenn man die Dinge auf sich zukommen lässt, anstatt sie fieberhaft zu siúchen. Mittelfristig gibt es die "S"-Trilogie und "Stardust", außerdem auf meinem "Werksverkaufs"-Portal "BandCamp"...

BN: ...Was ist denn das?

RS: "BandCamp" ist ein recht bekanntes Musikportal, das sich das Ziel gesetzt hat, Musikern einen möglichst einfachen Weg zur Verfügung zu stellen, wie sie Musik an ihre Fans bringen können. Ich nutze es für Musik, die ich außerhalb meiner regulären Musikverträge veröffentlichen möchte. So etwa alte Alben und Produktionen aus den 70ger-, 80er- und 90er-Jahren. Demnächst erscheint dort zum Beispiel mit "FM Box" ein Best-Of-Album meiner früheren Band ORGANISATION ZWEI mit Musiktiteln aus den Jahren 1988, sozusagen zum Silbernen Jubiläum nach 25 Jahren (siehe oben das Video zu "Machines" von OZ). Monatlich gibt es dort Musik aus meinem reichhaltigen Fundus von fertigen Produktionen, RoughMixes oder unveröffentlichten Sachen. Ich habe ja über die Jahre doch einige Solo-Alben und Filmmusiken gemacht oder Konzerte gespielt, zu denen es immer wieder Nachfragen von Fans gibt und die kann man so nach und nach bei "BandCamp" im Rahmen meines "Werksverkaufs" direkt erwerben.

BN: Sind das unveränderte, sozusagen historische, Aufnahmnen oder haben Sie da später etwas neu dazu aufgenommen bzw. Dinge verändert?

RS: Ich habe mich schon vor Jahren die Internetadresse www.originalaufnahmen.de gesichert und genau darum geht es. Alle auf "BandCamp" eingestellten Aufnahmen sind die Originalaufnahmen, angefangen im Jahre 1974 bis heute. Sie wurden lediglich, soweit es sich um Bandaufnahmen handelt, später noch einmal digital gemastert und aufgehübscht, was Rauschen und Bandfehler angeht, aber im Grunde sind es 1:1 die Aufnahmen, wie ich sie irgendwann einmal hergestellt habe. Ich darf hier auch stolz sagen, dass ich noch niemals Neuaufnahmen gemacht habe oder aus vertraglichen Gründen solche Aufnahmen machen musste. Bei mir ist alles original. Inklusive der Fehler.

[Interview © 2012-2013 für www.a-u-t-o-b-a-h-n.de / Zuerst veröffentlicht bei "Lichtstadt.News" zwischen November 2012 und Februar 2013]

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