Mach's gut Lacky ... und: Ahoi!


Vor wenigen Tagen erst, noch nicht einmal drei Wochen her, verkündete Reinhard "Lacky" Lakomy der Welt das Ende seines Lebens. Unheilbar krank sei er, sagte Lacky damals dem MDR, und das sei ja wohl "mehr, als ein eingeklemmter Nerv".

Ich schrieb damals, dass "wir" (und damit meinte ich alle Menschen, die ihn kannten und als Mensch erleben durften) uns für ihn eine heiße August-Nacht unter seinem Traumzauberbaum wünschen würden, eine Nacht, in der er diese Welt in Ruhe würde verlassen können. Aber Universalmusiker und Workaholics wie er (so wie auch 25 Jahre zuvor Conny Plank) haben manchmal noch nicht einmal dieses "Anstands-halbe-Jahr", um mit allem in Ruhe abzuschließen. Und so raubte es ihm schon heute morgen den Atem, noch nicht einmal drei Wochen nach der schrecklichen Ankündigung.

Heute Nachmittag machte MDR Info ein Radiointerview mit mir, in dem ich auf Lackys Leben eingehen durfte und auch das Musical, das er 2006 für das Planetarium unserer Stadt schrieb, habe ich dabei nicht vergessen. Einfach ist so etwas nicht. Über jemanden zu reden, den es schon nicht mehr als Mensch gibt und den man doch noch so vor Augen hat, als könnte er jeden Moment um die Ecke biegen und sagen: "Was gibt's Neues?"

Am Montag Abend sendet ZONO Radio Jena ihm zu Ehren noch einmal die Sendung "Im Gespräch mit Renhard Lakomy", die ich im Dezember 1999 aufgezeichnet habe und in der er mit mir sein Leben Revue passieren ließ. Die sollte man nicht verpassen.

Rainer Sauer, Jena am 23. März 2013

"THE EASTER CONCERT" on Easter Sunday March the 31st on ZONO Radio Jena


Last week I finished the mixing of "The Easter Concert" and so I can tell you some details and give you more informations about this performance: 

It starts with some of my typical Sprechcomputer announcements. 2011 I startet every of my monthly "Switched-On Kabarett" shows in the Spiegelsaal of the "Schwarzer Bär" in Jena with these announcements.

The klangbilder opens an arpeggiator tune that I've called "Open Glass", wihich is dedicated to Philip Glass amd Larry Fast. It is followed by "Melanchton II", a short piece, performed with Peter Chillvers "Air"-App, featuring the beautiful voice (...not of Christa Fast, but...) of Irish vocalist Sandra O’Neill. After this you can listen to a 20-minutes version of my "Six iPhones" (...which is in a superb sound quality).

Then you can listen to the huge "Music for Aurora Nights" Liveversion which is about 30 minutes long and I played this tune by using only the Generative Music App "Bloom" by Brian Eno and Peter Chilvers. This is followed by "The Easter Egg" which is a medley of ancient VELVET UNIVERSE music and some newer sounds for which I used the "Sunrizer" App on the iPhones and feat. Peter Vogels Fairlight CMI App on one iPad. The ambient sounds have been recorded in Wales by using a Kunstkopf system.

When "The Easter Egg" is gone and the blackbirds are singing you walk through the gloomy "Lichtenhain", performed with another Eno/Chillvers App called "Trope". At the end of "The Easter Concert" I do a performance, called "Beste Landung" (which I called "Beste Landung, because the rhythm of the sound hammerd the words "bes-te lan-dung...bes-te Lan-rung..." and so on in my brain). Therefore I use a short drumsample loop and I only change the faders of the parametric equalizers of my two YAMAHA......livemixers - that's all.

You can listen to the concert on 2013-03-31 via ZONO Radio Jena or buy it from this day on via my BandCamp/Werksverkauf for 7 Euro. - The Programmübersicht:

1.) "Warnhinweis" (A-U-T-O-B-A-H-N Sprechcomputer und Vocoder)

2.) "Open Glass" (iPhone # 2)

3.) "Melanchton II" (iPhone # 1)

4.) "Six iPhones" (iPhone # 1, iPhone # 2, iPone # 3, AKAI SynthStations, YAMAHA Mixer)

5.) "Music For Aurora Nights" (iPhone # 3)

6.) "The Easter Egg" (iPad, iPhone # 1, iPhone # 2, iPhone #3)

7.) "Lichtenhain" (iPhone # 1)

8.) "Beste Landung" (iPad, YAMAHA Mixer # 1 and # 2)

Length: 1 hour and 52 Minutes / Musican: Rainer Sauer / Klangbild: three iPhones, one iPad, two YAMAHA EMX-5000-12 mixer (picture below) with the incredible A-U-T-O-B-A-H-N Azimuth Modulator, A-U-T-O-B-A-H-N Sprechcomputer and Vocoder.

Rainer Sauer, Jena / 2013-03-21

1977: Ein Jahr, das mich völlig aus der Bahn warf und mein weiteres Leben veränderte (Teil 1)

Ich weiß, dass es ungewöhnlich scheint, hier vordergründig nichts spezielles zu Elektromusik oder -musiker zu schreiben, aber dieses Mal geht es mir um ein Jahr: das Jahr 1977. Gerade dieses Jahr ist mir wichtig, denn es war reich an Ereignissen und hielt der späteren Zeit einige Anspielungen auf sich selbst verborgen. Vor allem hat mich dieses Jahr vom Grunde auf verändert und deshalb ist es aus meiner Sicht wichtig, hier etwas über dieses Jahr zu schreiben, um nicht zu sagen: ich halte es für meine Pflicht.

1977 ist wie eine Puzzle, wobei sich Halluzination und Realität als gleiche und doch unterschiedliche Partner gegenüberstehen. Das Jahr beginnt mit einem Weihnachtssong der Gruppe CAN, „Silent Night“, der über die Feiertage ins neue Jahr hinüberschwappte.

Ich war damals gerade volljährig geworden, mein aktueller Musikgeschmack war vielseitig (angefangen bei Aaron Coplands Ballettmusik „Billy The Kid“, die ich „rauf und runter“ hörte, über zwei Live-Doppel-LPs, die ich mir zu Weihnachten gewünscht hatte - „’n Abend“ von Ulrich Roski und „Before The Flood“ von Bob Dylan and The Band - bis hin zum Klaus Schulze Album "Moondawn" und dem, in Kunstkopf Stereophonie aufgenommenen CAN Album „Flow Motion“, das im Herbst erschienen war und welches mir zu meinem 18. Geburtstag am 1. Dezember geschenkt worden war) und meine erste eigene Band, die Folk-Elektronic-Rock-Combo „Melvin Dawson And Friends“ war auf den Weg gebracht...mit mir als Melvin Dawson.

Gerade volljährig geworden waren neben meiner Arbeit und der Musik Kinobesuche an der Tagesordnung, wobei ich ja nun - Anfang 1977 - auch offiziell in Erwachsenenfilme gehen durfte, was ich auch tat. Ich schaute mir zum Beispiel im "Roxy"-Filmtheater in Offenbach am Main „Body Love“ an von Lasse Braun, nicht nur wegen des Soundtracks, den Klaus Schulze hierfür aufgenommen und im Februar 1977 veröffentlicht hatte.

Meinen ersten eigenen Synthesizer, betitelt: CX-5, hatte ich bereits im Sommer 1976 aus verschiedenen Komponenten von KOSMOS Elektronikbaukästen und Tonmessgeräten sowie einem alten Radio zusammengebaut und mit ihm machte ich im Dezember 1976 und Januar 1977 auf meinen GRUNDIG Tonbandgeräten mit HIlfe des GUYATONE Verstärkers mit Vibrato und Federhall, interessante Klangaufnahmen, bei denen ich auch einen Digitaluhr, ein Elektronik-Blitzgerät und einen SANTRON Taschenrechner mitwirken ließ.

Im Februar 1977 hatte ich genug Geld zusammen um mir eine defekte HOHNER Organetta 49R Elektronik-Orgel zu kaufen, die ich fortan in meine Klangexperimente mit einbaute, denn ich wollte endlich musikalisch so (oder zumindest so ähnlich) klingen wie Klaus Schulze, den ich seit „Picture Music“, „Timewind“ und“Moondawn“ verehrte. Ende Februar trieb mich aber eine schwere Angina ins Fieber und meine Eltern, bei denen ich zu dieser Zeit noch wohnte, machten mir ein außergewöhnliches und nicht zu erwartendes Geschenk.

Da ich zwei Wochen ans Bett gefesselt war, hatten sie mir die gerade erschienene KRAFTWERK LP „Trans Europa Express“ gekauft. „Du magst doch KRAFTWERK“, sagte meine Mutter, als sie mir die Platte gab und das stimmte wohl. Schon im Herbst 1972 hatte ich „Kraftwerk 1“ und „Kraftwerk 2“ gehört, 1973 das dritte Album, 1975 hatte ich mir mit „Autobahn“ die erste eigene KRAFTWERK LP zugelegt. Und mit Stolz bemerkte ich während unseres Frankreich-Urlaubs im Sommer 1975, dass die Single „Radioaktivität“ dort auf Platz 1 der französischen Charts gestiegen war, hörte das gleichnamige Album nun umso lieber, und jetzt war ich also unverhofft an „Trans Europa Express“ gekommen.

Das Album „Trans Europa Express“ ist ein Traum, eine Illusion, aber nicht in dem üblichen, billigen Sinne des Wortes - es ist ein Möbiusband, eine Escher Malerei, eine Fuge von Bach: Es trotzt wacher Logik und doch erscheint das Album dem Hörer bemerkenswert vollständig und nahtlos was schon irgendwie surreal wirkt, denn inmitten einer Zugfahrt findet man sich in einem Spiegelsaal wieder, begleitet Schaufensterpuppen, bei deren Trip durch die Stadt und begegnet Franz Schubert. Von Anfang an wusste ich aber, dass dieses Album etwas Großes war und in meinen Fieber-Phantasien der schweren Angina, wurde mir absolut klar, dass dieses Album in der späteren Musikgeschichte einen ebensolche Rolle spielen würde, wie „Sgt. Pepper“ von den Beatles oder „Tubular Bells“ von Mike Oldfield. Auch wenn das Fiebr von damals heute lange vergangen ist, lag ich in meiner euphorischen Einschätzung von damals aus heutiger Sicht doch gar nicht so schlecht.

Im weiteren Verlauf des Frühjahrs nahm ich die Musik für drei Alben auf - so nannte ich damals meine Compact-Cassetten, die ich wie kleine Langspielplatten aufnahm, mischte und im Freundeskreis des „Musikclub Schlachthof“ in Offenbach am Main veröffentlichte. Über Michaela, eine Arbeitskollegin, kam ich in Kontakt mit der lokal erfolgreichen Band APRIL, die nicht im Musikclub probte sondern in Mühlheim am Main, und wurde deren „Mann für alle Fälle“. Das heißt: ich nahm die Konzerte auf, spielte Percussion und Tambourin, fühlte mich ein wenig wie Brian Eno bei „Roxy Music“, weil ich bei dem Livegigs von meinem Stereo-Tapedeck Bänder mit Geräuschen zuspielen durfte und der Opener eines jeden APRIL-Konzertes gehörte mir: ich spielte dem auf Rockmusik wartenden Publikum „The Open Prairie“ ein, die Schluss-Szene aus Coplands „Billy The Kid“.

Für mich neu und erstaunlich war es, dass sogar ich - der Sideman und wahrlich kein Rock'n'Roller - nach den Auftritten Frauen kennenlernte. An drei von Ihnen erinnere ich mich noch heute...und dadurch auch an „Don't Let Me Be Misunderstood“ in der Disco-Version des Sommers 1977 von SANTA ESMERALDA. Und eine von Ihnen brachte mich zum ersten Mal ins Radio. Henning Venske interviewte mich eines Sonntag Abends live im Hessischen Rundfunk auf hr3.

Der echte Brian Eno war zur gleichen Zeit in Berlin und nahm zusammen mit Ex-T. Rex Produzent Tony Visconti zwei Schallplatten von und mit David Bowie auf: „Low“ und „Heroes“. „Low“ hatte ich mir im März 1977 gekauft, nachdem Bowies Single „Sound And Vision“ in die Hitparaden eingestiegen war. Darüber, dass mich die Eno/Bowie-Komposition „Warszawa” tief beeindruckte und prägte, brauche ich hier kein weiteres Wort zu verlieren.

[...to be continued...]

RAINER SAUER INTERVIEW VOM NOVEMBER 2012


(lsn) - Elektromusik ist nicht gleich Elektromusik und einen Synthesizer zum Klingen zu bringen reicht heute nicht mehr aus, um Fans der Elektromusik zum Kauf von Tonträgern oder zum Download von Alben zu bewegen. Das weiß auch Rainer Sauer, seit mehr als zwanzig Jahren in der Lichtstadt zuhause, früher im Westen Deutschlands erfolgreicher Elektronik-Rock Musiker mit seiner Band VELVET UNIVERSE und ein bekannter Radiomoderator, heute deutschlandweit einer der renomiertesten Künstler in seinem Genre.

Das mit dem Radio hat er nach Jena exportiert, ist nach wie vor im Trägerverein des Offenen Hörfunkkanals Jena (dessen stellvertretender Vorsitzender er lange Jahre war) und wurde schon 2001 mit dem TLM Hörfunkpreis für die beste Radiosendung Thüringens ausgezeichnet.

Ab und an macht er auch heute noch "Musik aus den ewigen Schaltkreisen", wie er sie nennt, entwickelt mit andern Musikern elektronische Klänge am von ihm geründeten "Oskar Sala Institut für Klangforschung", produziert nach wie vor Künstler (1985 entdeckte Rainer Sauer die Band CAMOUFLAGE) oder bastelt an neuen Vermarktungskonzepten. 54 Jahre ist der studierte Diplom-Verwaltungswirt alt und macht bereits seit 38 Jahren Musik in der bundesdeutschen Elektromusik- Szene und die ist nicht irgendeine, sondern hat weltweit immer noch Einfluss und Reputation.

Aber wie schafft man es, die neuen Fans ebenso wie die treuen, mit KRAFTWERK und TANGERINE DREAM erwachsen gewordenen Kenner und Sammler gleichermaßen zufriedenzustellen, und am Ende auf einem in alle Richtungen expandierenden Markt auch noch Profit zu erwirtschaften? Barbara Nowak sprach mit Rainer Sauer über seine Musik, seine Kontakte, seine Pläne und Wünsche.


BN: Vorletztes Jahr haben Sie Musik produziert, letztes Jahr bei "Switched-On-Kabarett" Synthesizermusik und literarisches Kabarett miteinander verschmolzen, dieses Jahr ist es Ambient Music, was Sie machen. Viele Experten sagen, so etwas funktioniere nicht, man müsse sich Erfolg mit einem Langzeitkonzept erarbeiten.

RS: Zeigen Sie irgendwo auf der Welt ein Bild von einem Synthesizer, einem Keyboard herum und schnell wird jemand sagen: Ich weiß, was das ist. Aber das beschreibt ja nicht die hundert verschiedenen Stilrichtungen, die es in der Elektromusik gibt. Also muss man herausfinden, was funktioniert und was nicht. Seit ich finanziell unabhängig bin, probiere ich die unterschiedlichsten Dinge aus.

BN: Jetzt ist es "Ambient Music", eine Stilrichtung, die Brian Eno erfunden hat, Anfang der 1970er Jahre, zu einer Zeit, als Sie anfingen eigene Musik zu machen.

RS: Ja, aber ich war damals zu jung und hatte das Geld nicht, um mir eigene Synthesizer zu kaufen. Damals war es mein Ziel, mit Synthesizermusik Geld zu verdienen und unabhängig zu werden. In dieser Zeit wäre die "Ambient Music" daher nichts für mich gewesen, was ich mit Leidenschaft gemacht hätte. Heute ist es aber genau das geworden, heute habe ich zudem die Kontakte, z. B. mit Musikern aus England zusammenzuarbeiten. Und es gibt jeden Tag immer phantastischere Musikinstrumente für meine Musik.

BN: Wie das iPad, das Sie jetzt des öfteren für ihre Musik benutzen?

RS: Das ist eines dieser Musikinstrumente. Das iPad ist in der Tat, genauso wie das iPhone, ein hervorragendes Musikinstrument, mit dem man viel machen kann. Aber nur dann, wenn man als Nutzer weiß, was man damit machen will und wie man es machen muss und die Grundprinzipien der Klangerzeugung kennt. Nicht jeder, der sich ein iPad kauft und die nötige Software, ist dadurch auch gleich ein Künstler (siehe hierzu auch das Video oben!).

BN: Was macht Ihrer Meinung nach einen Künstler aus?

RS: Auch bei der Elektromusik kommt "Kunst" von "Können", wie es ja allgemein in der Msik der Fall ist. Nehmen sie einmal ein Klavier. Wenn Sie oder ich uns daran setzen und versuchen etwas zu pielen, dann ist das tatsächlich ein Spiel. Wenn es dagegen jemand wie etwa Daniil Trifonov macht, dann kommt dabei Kunst heraus. Ein Gerät auspacken, ein paar Tasten drücken, Krach zu erzeugen oder Schönklang, ist einfach. Aber schnell kommt man an die Grenzen und fragt sich "Was will ich damit machen?" und dann legt man so ein Gerät wieder weg und das war's dann gewesen. Die Künstler, die ich kenne und die mir etwas bedeuten sind oder waren lange im Geschäft, haben Dinge erfunden, herausgefunden oder entwickelt und vor allem viel Zeit in ihre Kunst, in die Musik gesteckt. Ich halte es da mit Conny Plank, der einmal sagte, mehr als die Hälfte von dem, was er im Studio mache, sei verlorene Zeit, sei Mist, den er später wegwerfe. Aber oftmals entsteht die Schönheit eines Klangbildes genau aus dieser Zeitverschwendung. Auch bei mir ist das Inspiration, eine Art Meditationsprozess. Ich will nicht ein Stück Musik machen, so wie man ein Lied schreibt. Bei mir dauert das.

BN: Sie veröffentlichen und spielen nicht oft heutzutage.

RS: Das brauche ich auch nicht, denn ich habe einen Hauptberuf, der mich sehr ausfüllt, und die wenige Zeit, die ich für's Musikmachen habe, gekoppelt mit meinem Zeitanspruch daran, führt zu diesen relativ langen Zeitabständen, in denen ich spiele oder Musik publiziere.

BN: Und was ist mit Ihren Kontakten zu anderen Musikern? Finden die auch nur sporadisch statt?

RS: Das Pflegen von Kontakten hat zum Glück kein Zeitlimit. Und da ich immer wieder anspruchsvolle Radioprojekte realisiere oder realisieren helfe, unterliegen die Kontakte regelmäßiger Auffrischung.

BN: Was machen Sie derzeit?

RS: Im Moment arbeite ich sowohl für mich selbst als auch für das Radio. Für mich selbst entsteht eine Album-Trilogie mit Veröffentlichungen in den nächsten drei Jahren und für ZONO Radio Jena arbeite an einer vierstündigen Radiosendung über Conny Plank, einen der innovativsten Musikproduzenten, den Deutschland je hatte. Er ist verantwortlich, dass es das Genre des "Krautrock" gibt und produzierte von Kraftwerk über Brian Eno, Ultravox oder die Eurythmics viele andere Künstler und Bands. Vor genau 25 Jahren ist er gestorben und ich bin derzeit mit seinem Sohn daran, sein Leben und sein Werk ein Stück weg aufzuarbeiten. Ende Dezember 2012 gibt es die Radiosendung dazu.



BN: Dieser Tage ist ein neuer Synthesizer auf dem Markt erschienen, der "RayBlaster" und an dem haben sie mitgewirkt mit Ihrem "Institut für Klangforschung" in Jena. Wie muss man sich so eine Mitarbeit vorstellen und wo findet man dieses Institut?

RS: Zuerst einmal ist das "Oskar Sala Institut für Klangforschung", so ist der volle Name, keine große Sache, also keine Landeseinrichtung oder so etwas ähnliches...

BN: ...wie einem der Name suggerieren könnte...

RS: ...ganz genau. Es steht unter meiner privaten Leitung und ist Lehr- oder Forschungseinrichtung im kulturell-wissenschaftlichen Sinn. Die am Institut beteiligten Personen entwickeln im privaten Auftrag oder für Firmen entweder elektronisch erzeugte Klänge oder betreiben, die der Name schon sagt, Klangforschung. So gibt es zum Beispiel eine Zusammenarbeit mit der Firma "Tone2" von Bastiaan Noord und Markus Krause. Mit Bastiaan, der in den Niederlanden lebt, habe ich regelmäßigen Kontakt, seit dem er den "Saurus"-Synthesizer herausgebracht hat und Markus, der bei Rosenheim lebt, ist als Dipl. Inf. Univ. einer der intelligentesten Musiksoftware-Designer, die man sich denken kann. Mit dem "RayBlaster" ist ihm nun der "große Wurf" gelungen, so will ich es jetzt einmal nennen: ein völlig neuartiges elektronisches Musikinstrument mit völlig unerwarteten Klangeigenschaften und -möglichkeiten. Das wird auf der Musikmesse 2013 sicher noch für Furore sorgen.

BN: Und was war Ihr Anteil daran?

RS: Wir haben am Sounddesign mitgearbeitet. Einige Sounds aus dem Jenaer Institut werden mit der Werksfassung des Synthesizers ausgeliefert, andere kommen im Laufe des nächsten Jahres in den Vertrieb (siehe Video oben).

BN: Wo findet man das "Oskar Sala Institut"?

RS: Vor einigen Jahren hatten meine Frau und ich die Möglichkeit zu unserem Grundstück am Saalbahnhof in Jena weitere Gebäude anzukaufen. In denen ist mittlerweile das Institut untergebracht und ZONO Radio Jena mit seinen Studios angesiedelt.

BN: Kurze Zwischenfrage: Kann man vom Musikmachen leben?

RS: Das hängt von den Ansprüchen ab, die man an das Leben hat. Ich kenne wenige Leute, die mit Musikmachen sich selbst und ihre Familie ernähren können. Und wenn, dann geht das auf Kosten der Lebensqualität, d. h. sie sind viel unterwegs. Man hat mir einmal eine Regel beigebracht, die heißt: "Ein Top-10 Hit ist kein Garant dafür, von Musik leben zu können!". Ich sage das auch ganz klar in Richtung von Leuten, die noch nicht einmal diesen Top-10 Hit gehabt haben.

BN: Also in Richtung von Menschen, die davon träumen, in Castingshows ihr Glück zu machen.

RS: Auch. Ich finde überhaupt Ihre Formulierung "ihr Glück" sehr zutreffend. Man kann mir da gerne widersprechen, aber ich behaupte einmal, dass so gut wie niemand, der bisher eine Castingshow im deutschen Fernsehen gewonnen hat, sein Glück gemacht hat. Die von Stefan Raab betreuten Künstler einmal ausgenommen. Aber ich meine hier die Gewinner. Für die dahinter platzierten interessiert sich schon nach Wochen sowieso kein Mensch mehr.

BN: Sie hatten ja auch einmal eine Nachwuchsförderung beim Hessischen Rundfunk, haben 1985 so die Band CAMOUFLAGE entdeckt. Was hat sich seither verändert?

RS: Man kann die 80er Jahre nicht mit heute vergleichen. Damals wurde noch Musik gemacht mit Kopf und Hand und Herz, ohne Softwareunterstützung, ohne virales Marketing, ohne die Möglicheiten des Internets. Ich habe ja in dieser Zeit selbst meine größten Erfolge feiern dürfen, Damals gab es noch Plattenfirmen, die Leute zur Pflege von "Artist & Repertoire" beschäftigten. Damals wurden Künstler und Musikgruppen noch über Jahre hinweg aufgebaut. Aber mit dem Rückgang der Tonträgerverkäufe ist dies alles aufgegeben worden. Heute kann ein Hype im Internet über Wohl und Wehe eines Künstlers entscheiden. Wie in der Filmbranche auch, muss sich ein Produkt gut verkaufen, bevor man von den gleichen Künstlern ein neues anbietet. Wer gut ist, aber kantig oder fragil, wird fallen gelassen, selbst wenn man mit einem immensen Werbeaufwand versucht hatte ihn aufzubauen. Wie Henry Francois Funke, den ich 2010 in Leipzig kennenlernen durfte und der alle Chancen hatte, eine großartige Karriere hinzulegen, aber an der Nicht-Akzeptanz seines Konzeptes scheiterte. Zu unrecht, denn man hätte ihn weiter puschen müssen und er wäre inzwischen sicherlich ein großer Star. Ich liebe sein Album und seine Musik - das muss ich ganz klar zugeben.

BN: Von Ihnen gibt es inzwischen die Ankündigung von vier neuen Alben in den nächsten Jahren. Weshalb so zeitig und so in die Zukunft gerichtet?

RS: Die Musik ist fast fertig, kann sich aber bis zur endgültigen veröffentlichung immer noch verändern. "Moods", "Leaves" und "Cats" ist eine Trilogie, die aufeinander aufbaut und "Stardust" die Wiederentdeckung alter Kompositionen von mir aus den Jahren 1975 bis 1979, während die Titel der sog. "S"-Trilogie alle auf neuerer Zeit stammen. "Stardust" hat also etwas mit dem Staub zu tun, der sich auf den alten Sachen gebildet hat und bald wird der Äther erkundet, erforscht, ich es im Untertitel ausdrücke. Aber in der Astronomie weiß man, dass ein immer tieferer Blick ins Universum immer frühere Entwicklungen und Konstellationen aufzeigt. Für so etwas braucht man Zeit zur Veröffentlichung und als Hörer für das Kennenlernen von Musik - so will ich es einmal nennen. Und man braucht eine Käufergemeinde, die solche Dinge zu schätzen weiß. Deshalb gibt es 2013 bis 2015 jedes Jahr ein Album der "S"-Trilogie und Ende 2015 dann noch den Sternenstaub gratis dazu, für die Käufer, die alle Alben der "S"-Trilogie besitzen.

BN: Haben Brian Enos Ideen Ihnen irgendwie geholfen bei der Arbeit an den neuen Alben?

RS: Es ist Jahre her, seit ich sein fantastisches Buch "A Year With Swollen Appendices" (links rot eingekreist in Sauers Arbeitszimmer) zum ersten Mal las, aber ich kann auch heute noch aus ihm schöpfen, um mir philosophische Gedanken um Musik und Kunst zu machen. Es wirft nicht nur Licht auf Brian Enos musikalische Evolution, sondern gibt einem auch Auskunft über klangtechnisch wichtige Dinge. Interessanterweise gibt es ja in seiner und in meiner Biografie die eine oder andere Parallele. Er berichtet, dass ihn Steve Reichs bahnbrechendes Tonbandmusikstück "It 's Gonna Rain" von 1965 sehr beeinflusst hat und bei mir war es Steve Reichs Stück "Six Pianos" von 1973, das im Übrigen auch Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, dessen Webseite ich heute betreibe, einst zur "Minimal Musik" geführt hatte.

BN: Was macht "Minimal Musik" aus?
 
RS: In der "Minimal Musik" findet man Einflüsse aus indo-asiatischer und afrikanischer Musik. Sie ist polyrhythmisch und ignoriert, wie ja auch in Teilen der Jazz-Musik, weitgehend die Konventionen des Komponierens, wie sie sich in Europa und Amerika in den letzten Jahrhunderten etabliert haben. Ob sie auf die serielle Musik des 20. Jahrhunderts eingeht, in Form einer Weiterentwicklung, vermag ich als nicht-studierter Musiker nicht zu sagen. Auf jeden Fall ist die "Minimal Musik" noch immer ein Teil der modernen ernsten Musik.

BN: Wie hat "Six Pianos" Sie beeinflusst?

RS: Es war einer der wichtigsten Teile meiner Musikentwicklung. Die ganze Idee der Polyrhythmic bei meiner Arbeit mit Synthesizer-Sequenzern kam aus diesem Stück. Ob man die Phrasen, wie bei Steve Reich, von versierten Musikern auf sechs Pianos spielen lässt oder von einer elektronischen Maschine macht dabei keinen Unterschied. Wichtig ist: der Akt des Zuhörens ist gleichzeitig auch der Akt des Komponierens. Wenn man sich die ebenso simplen wie in ihrer Auswirkung komplizierten Verlagerungen von Ton- und Klangmustern in "Six Pianos" anhört, dann lernt man, dass Veränderungen in der Musik auch fließend sein können und nicht abrupt. Diese Erkenntnis hat mich 1974,als ich das Stück zum ersten Mal hörte, sehr beeindruckt. Auch, dass man als Komponist durchaus, wie in diesem Fall, sechs Leute ihre Arbeit machen lassen kann und dann alles an einem Mischpult ineinander und wieder auseinander mischt. Wie unterschiedlich ist doch diese Komponisten-Rolle von der alten romantischen Idee, dass der Komponist eine Partitur schreibt und ein Orchester oder Band sie dann umsetzt. Oft genieße ich diese passive Seite des Komponierens und lasse die Dinge einfach auf mich zukommen. Für mein neues Album "Moods" habe ich Reichs Idee in die Neuzeit verschoben und das Stück "Six iPhones" aufgenommen.

BN: Wie kann muss man sich dieses Stück vorstellen? Klingeln da unentwegt Telefone?

RS: (lacht) Natürlich nicht. Als vollwertiges Musikinstrument kann das iPhone ja mehr als nur zu klingeln. Ich habe hierbei ein Synthesizerprogramm genommen und polyrhythmische Sequenzen programmiert und die auf sechs iPhones gleichzeitig laufen lassen. Aufgenommen habe ich das dann auf meinem digitalen Tascam 8-Spur Rekorder und am Ende im Studio gegeneinander abgemischt, wie bei "Six Pianos". Es sind zwar nur wenige iPhones, aber es klingt nun nach viel mehr. Brian Eno sagte ja auch, dass es nicht die Anzahl der Musikinstrumente ist, die einen Gesamtklang ausmachen, sondern das, was im Kopf des Zuhörer passiert. Alleine im Kopf der Zuhörers entsteht die Klanglandschaft, der Klangeindruck.  

BN: Wann wird "Moods" erscheinen?

RS: Es ist vorgesehen, dass das Album kurz nach der Sommerpause erscheint, als erstes der "S"-Trilogie.

 
BN: Und weshalb nahmen sie hierfür sechs iPhones und nicht sechs "große" Synthesizer?

RS: Das ist wirklich eine gute Frage und ich kann da nur sagen: ich entscheide dies aus dem Bauch heraus, also mit Gefühl. Durch meine 4-KLANG Konzerte, mit vier mehr oder weniger unterschiedlichen Elektromusikteilen, bin ich ja ohnehin gezwungen, oft Entscheidungen zu treffen. Aber in meiner Musik gibt es die "großen" Synthesizer ebenso wie die kleinen. Alles hat seine Berechtigung auf seine Weise. Für Musikinstallationen z. B. nehme ich wiederum ganz andere Geräte als bei Konzerten. Im Sommer gibt es ja die "2013 ODYSSEE - 4-Klang Installationen" und da lasse ich verschiedene Klangerzeuger aktive Musik und Klänge erfinden.


BN: Wie und an was entscheiden Sie, welche Geräte Sie für Ihre Musik einsetzen?

RS: Im Grunde entscheidet sich die Verwendung einzelner Instrumente und Klangerzeuger an der Notwendigkeit des Anlasses. Es kann auch schon mal sein, dass ich ganz alte Geräte wieder reaktiviere um einfach nur einmal zu zeigen, dass es auch vor vierzig Jahren schon tolle Elektromusikinstrumente gab.


BN: Auf dem neuen Album "Moods" gibt es einen Titel, da haben Sie einen Kunstkopf eingesetzt um ein räumliches Klangerlebnis zu erzeugen. Wie geht das und, vor allem: Was bringt das dem Zuhörer?

RS: Die Kunstkopf-Aufnahmetechnik kam Anfang der 1970er-Jahre in Mode. Ich glaube das erste Kunstkopf-Hörspiel hieß "Demolition" nach einem Roman von Alfred Bester und ich habe das damals mit Begeisterung im Radio gehört. Musikgruppen wie Can haben in den 70er-Jahren Schallplatten in Kunstkopftechnik aufgenommen oder Musiker wie Kevin Godley und Lol Creme. Der Kunstkopf erzeugt ein natürliches Hörerlebnis, also nicht nur Links und Rechts kann man unterscheiden sondern auch Vorne und Hinten sowie Oben und Unten. Eben wie es ein Mensch mit seinen Ohren im Alltag auch erleben würde. Für den Titel "Wide Angel And Zoom", dessen einzelne Elemente auch Bestandteile des "ODYSSEE"-Projektes sind, habe ich acht omnidirektionale Raumklang-Lautsprecherboxen rund um einen Kunstkopf montiert und die einzelnen Geräusche so eingespielt, wie man sie auch in etwa räumlich hören würde, wenn man zu einer "ODYSSEE"-Klanginstallation gehen würde.

BN: Sind das Spezialanfertigungen?

RS: Den Kunstkopf habe ich mir in Großbritannien bauen lassen und die Boxen habe ich über Jahre hinweg nach und nach erworben auf Flohmärkten, von HiFi-Studios oder über eBay.

BN: Wenn Sie einmal in die Glaskugel schauen, was wollen Sie dann in Zukunft noch musikalisch machen? Was sind die langfristigen Ziele?

RS: Ich bin jetzt Mitte 50, habe also in etwa noch zwei, drei Jahrzehnte vor mir - jedenfalls soweit man das als Mensch beeinflussen kann. Langfristige Ziele gibt es keine oder, um es mit Franz Beckenbauer zu sagen, "Schaun wir mal, was kommt". Das ist doch spannend, wenn man die Dinge auf sich zukommen lässt, anstatt sie fieberhaft zu siúchen. Mittelfristig gibt es die "S"-Trilogie und "Stardust", außerdem auf meinem "Werksverkaufs"-Portal "BandCamp"...

BN: ...Was ist denn das?

RS: "BandCamp" ist ein recht bekanntes Musikportal, das sich das Ziel gesetzt hat, Musikern einen möglichst einfachen Weg zur Verfügung zu stellen, wie sie Musik an ihre Fans bringen können. Ich nutze es für Musik, die ich außerhalb meiner regulären Musikverträge veröffentlichen möchte. So etwa alte Alben und Produktionen aus den 70ger-, 80er- und 90er-Jahren. Demnächst erscheint dort zum Beispiel mit "FM Box" ein Best-Of-Album meiner früheren Band ORGANISATION ZWEI mit Musiktiteln aus den Jahren 1988, sozusagen zum Silbernen Jubiläum nach 25 Jahren (siehe oben das Video zu "Machines" von OZ). Monatlich gibt es dort Musik aus meinem reichhaltigen Fundus von fertigen Produktionen, RoughMixes oder unveröffentlichten Sachen. Ich habe ja über die Jahre doch einige Solo-Alben und Filmmusiken gemacht oder Konzerte gespielt, zu denen es immer wieder Nachfragen von Fans gibt und die kann man so nach und nach bei "BandCamp" im Rahmen meines "Werksverkaufs" direkt erwerben.

BN: Sind das unveränderte, sozusagen historische, Aufnahmnen oder haben Sie da später etwas neu dazu aufgenommen bzw. Dinge verändert?

RS: Ich habe mich schon vor Jahren die Internetadresse www.originalaufnahmen.de gesichert und genau darum geht es. Alle auf "BandCamp" eingestellten Aufnahmen sind die Originalaufnahmen, angefangen im Jahre 1974 bis heute. Sie wurden lediglich, soweit es sich um Bandaufnahmen handelt, später noch einmal digital gemastert und aufgehübscht, was Rauschen und Bandfehler angeht, aber im Grunde sind es 1:1 die Aufnahmen, wie ich sie irgendwann einmal hergestellt habe. Ich darf hier auch stolz sagen, dass ich noch niemals Neuaufnahmen gemacht habe oder aus vertraglichen Gründen solche Aufnahmen machen musste. Bei mir ist alles original. Inklusive der Fehler.

[Interview © 2012-2013 für www.a-u-t-o-b-a-h-n.de / Zuerst veröffentlicht bei "Lichtstadt.News" zwischen November 2012 und Februar 2013]