Rainer Sauer auf der Frankfurter MusikMesse 2012 / Frankfurt Music Fair 2012 Review

Seit 1979 besuche ich die Frankfurter Musikmesse in mehr oder weniger regelmäßigen, zeiltlichen Abständen. Viele schöne Zeiten habe ich dort schon erlebt, einst Messerundgänge mit Patrik Moraz, Christopher Franke, Adrian Wagner oder Reinhard Lakomi gemacht, 1984 bis 1987 sogar eigene Messestände betrieben ("Digital Musical Sounds / DMS") oder in Frankfurt Vorträge gehalten und für den Hessischen Rundfunk Messereportagen erstellt. Dieses Jahr war mein Besuch der Frankfurter Musikmesse von positiven Überraschungen ebenso geprägt wie von kleinen Enttäuschungen.

Die Überraschungen betrafen das Zusammentreffen mit interessanten Musikern und einige Entdeckungen auf der Elektromusik-Hardwareseite (siehe oben den Stand von CLAVIA Nord Instruments). Die Enttäuschungen gingen auf das Konto von Musikinstrumentenherstellern, die ihre eigenen Produkte kaum (noch) bis gar nicht (mehr) unterstützen, doch dazu später.

Zwei Aufeinandertreffen mit Musikern werden mir im Gedächtnis bleiben. Zu einen machte ich für "Sounds vom Synthesizer Reloaded" ein längeres Interview mit Bernd Kistenmacher, mit dem ich mich nach 25 Jahren zum ersten Mal wieder persönlich verabredet hatte (siehe Foto). Telefoniert, hin und wieder, hatten wir in dieser langen Zeit schon (Bernd war 1987 zum letzten Mal auf einem, der von mir organisierten "White Waves" Elektromusikfestivals aufgetreten), auch in der Auszeit, die sich Bernd nehmen musste, nachdem er als Plattenlabelchef unschöne Erfahrungen mit einem der ganz großen Künstler der deutschen Synthesizermusikszene machen musste (...resp. mit dessen Manager): trotz phänomenaler Verkäufe einer CD-Edition des betreffenden Künstlers blieben Kistenmacher am Ende nur Schulden übrig und er "durfte" dem Manager des Künstlers seine gesamten eigenen Verlagsrechte überlassen, damit er einigermaßen heil aus der Sache herauskommen konnte...jedenfalls bevor dann das Finanzamt bei ihm anklingelte.

Bernd hat es abgehakt und ist nach einigen Jahren der Pause und Einkehr als Musiker und Mensch stärker in die Branche zurückgekehrt; gerade wurde sein aktuelles Konzeptalbum "Antimatter" von den Hörern der "Sounds vom Synthesizer" zum "Album Of The Year 2012" gewählt. Ein erfrischend ehrliches Interview gab es auf der Frankfurter Musikmesse und es war für alle Musikfans noch höchst informativ dazu. Mit Bernd werde ich nun weiter eng in Kontakt bleiben.

Und dann traf ich zufällig zwei Musiker, die derzeit beide in den USA leben, obwohl man den einen von dessen musikalischen Karriere her eher mit Griechenland verbindet und den anderen mit Großbritannien. Der ältere von beiden, nennen wir ihn der Einfachheit halber "Kaptitän Nemo" - beide legen Wert darauf, dass ihre wahre Identität bei dem musikalischen Projekt, dass sie derzeit betreiben, unerwähnt bleibt -, arbeitet seit den 1970er-Jahren als Komponist von Filmmusiken und veröffentlichte erfolgreich viele Schallplattenalben. Vor einigen Jahren bereits hatte er sich künstlerisch zur Ruhe gesetzt und wollte in Griechenland seinen Lebensabend verbringen. Die aktuellenEntwicklungen in diesem Land brachten ihn jedoch dazu, aus dem musikalischen Ruhestand zurück ins Tonstudio zu gehen und dort, er wird bald 70 Jahre alt, vielleicht ein letztes Mal seine ruhigen, poetischen Klangozeane zu erschaffen.

Der andere, er ist um einiges jünger - nennen wir ihn Jim Hawkins - stieg einst bei einer bekannten britischen Rockband als Ersatz für einen Paradiesvogel ein, der sich in der Folge zu einem der innovativsten Musiker und Produzenten entwickeln konnte. In dieser Band spielte er Synthesizer und Keyboards und nahm danach auch noch Solo-Platten mit progessiver New-Age-Musik auf. Jetzt will Jim Hawkins endlich wieder mal etwas Neues machen, zog einen Plattendeal an Land und schmeichelte Kapitän Nemo so lange, bis dieser in das gemeinsame Projekt namens "ZeroPoint 39" einwilligte.


Beide erkannte ich auf der Musikmesse erst nach einigem Hinsehen, denn der Ältere trägt keinen Vollbart mehr (dies wahr über Jahrzehnte sein Markenzeichen) und der Jüngere hat einige Pfunde mehr auf den Hüften, als zu der Zeit in den 1980er-Jahren, als er den musikalischen Durchbruch schaffte (kleiner Hinweis: Auf dem Foto oben sind beide zu sehen...doch: Wer könnte es sein und vor allem wo sind die beiden zu sehen?)

Gemeinsam besuchten sie die große YAMAHA-Halle (Kapitän Nemo war und ist dafür bekannt, dass der CS80 sein Lieblingsinstrument ist) und Jim Hawkins verriet mir, dass man das gemeinsame Album im nächsten Jahr veröffentlichen will - mehr dazu sagte er allerdings nicht. Man darf daher gespannt sein auf das, was "ZeroPoint 39" präsentieren wird.


Bei YAMAHA erlebte ich aber auch die bereits angesprochene kleine Enttäuschung und zwar in Bezug auf den Tenori-On. Nur ein Prospekt war zu ergattern und keinerlei neue Informationen über das Zaubergerät von Toshio Iwai. Auf meine Frage, was sich bei YAMAHA in Bezug auf den Tenori-On tue, sagte mir ein führender Mitarbeiter mit dem Blick auf mein T-Shirt (siehe Foto rechts): "Wenn Sie so ein T-Shirt anhaben, dann wissen Sie doch mehr über das Gerät als wir." - Verdrehte Welt!

Beim Stand von ModeMachines verbrachte ich einige Zeit und testete ausgiebig die neue Hardware der Firma von "Touched-By-Sound" Boss Michael Thorpe. Auffällig war die Studie eines, dem MiniMoog Design ähnlichen, Hardware Synthesizers namens "MiniMode" (siehe Foto ganz unten) mit dem Innenleben verschiedener ModeMachines wie dem "SynthLab". Wenn alles planmäßig verläuft, soll es ein solches Gerät ab dem Jahre 2013 tatsächlich geben, wie man mir verriet. Und ich nehme einfach mal an, dass es dann auch so ähnlich wie einst der originale MiniMoog klingen wird.

Weil ich gerade beim Thema bin: Bei Moog Music dagegen war der MiniTaur das gefragteste Gerät, vom Interesse her waren dort aber auch die Moog Apps für das iPad, das iPhone oder den iPod Touch beliebt, wie der digitale MoogFilter "Filatron". Bei Roland offerierte man den Interessenten vor allem die Vorzüge des "Gaia", wobei man tunlichst verschwieg, dass dieses Gerät einen kleinen Makel hat: es lässt sich über MIDI im MultiMode immer nur ein Sound gleichzeitig ansteuern. Arturia verblüffte dieses Jahr nicht mit seiner hervorragenden Software sondern mit seinem Hardware-Synth "MiniBrute" und bei Waldorf führte man ausgiebig seine "Zarenbourg" vor.

Die größte Freude bereitete es mir allerdings, den großen (und großartigen) Stand einer Musikzeitschrift zu erleben, die ich 1980 mitgegründet hatte: das "SynthesizerMagazin". Zwischen 1980 und 1983 erschienen insgesamt acht Ausgaben des "SynthesizerMagazins", später noch einmal drei meines Nachfolgemagazins "Synchron". Auch heute noch gibt es diese Zeitschrift, wenn auch in anderer Aufmachung und in einem neuen Verlag.

Aber was da in diesem März auf diesem Stand geboten wurde (der interessierte Elektromusikfan konnte nicht weniger als 18 verschiedene Synthesizer-Hardware-Legenden ausprobieren und spielen, darunter legendäre KORG Synthesizer, PPG Wavecomputer und Modularsysteme) war schon beeindruckend. Vor allem wenn man bedenkt, dass selbst so große Firmen wie Roland heutzutage mit dem Verkauf von Synthesizern kaum noch ihr Geld verdienen, ist das Engagement des "SynthesizerMagarins" nicht hoch genug zu loben (...ein besonderer MusikMesse-Gruß auch an dieser Stelle an Dirk Matten).

Nächstes Jahr komme ich wieder auf die Frankfurter Musikmesse und wir werden sehen, was es dann Neues zu berichten gibt. Vor gut 20 Jahren habe ich übrigens auf der damaligen MusikMesse einen kleinen Dokumentarfilm gedreht...vielleicht stelle ich den mal bei YouTube ins Netz, damit man sehen kann, was sich dort in mehr als zwei Jahrzehnten so alles verändert hat.

gez.

Rainer Sauer, Jena
März 2012

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